"Drei neue Atomreaktoren? Das ist Volksverdummung", titelt De Morgen. Die Zeitung greift gleich in ihrem Aufmacher die Idee eines US-Experten auf, der am Wochenende bei einer Versammlung der N-VA gesprochen hatte. Dabei hatte der Experte Michael Shellenberger Belgien empfohlen, als Maßnahme für mehr Klimaschutz drei neue Atommeiler zu bauen. Eine Idee, die von anderen Experten als völlig abwegig bewertet wird.
Dazu kommentiert De Morgen: Shellenberger hat natürlich recht, dass Atomkraftwerke kaum CO2 ausstoßen. Aber ebenso klar ist, dass sein Ratschlag komplett unrealistisch ist. Allein schon wegen der Tatsache, dass sich kein einziger privater Investor finden würde, um heutzutage noch Kernzentralen zu bauen. Es ist zwar das Verdienst von "Öko-Experten" (wie Shellenberger sich selbst nennt), Probleme anzusprechen und damit deutlich zu machen, wie schwierig bestimmte Fragen sind. Aber wenn er sich hinstellt und sagt, dass Kernenergie die beste Lösung sei und Sonnen- und Windenergie nur Spinnereien von tagträumenden Hippies seien, dann erzählt er schlichtweg Mist, urteilt De Morgen.
Het Belang van Limburg meint: Es ist ja schön, dass sich die N-VA mit dem Thema Klimapolitik beschäftigt. Aber selbst, wenn sie die Kernenergie jetzt wieder fördern will: Antworten auf die Fragen, was wir mit dem atomaren Abfall machen, der Tausende von Jahren eine Belastung für künftige Generationen sein wird, bietet sie nicht. Die ganze Diskussion über das Für und Wider der Kernenergie kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass alle Parteien es jahrelang versäumt haben, einen langfristig angelegten Plan auf den Weg zu bringen, wie wir in Zukunft unsere Energie sinnvoll gewinnen. Mit Rücksicht auf die Belange der Umwelt, des Klimas, der Industrie und der sozial Schwachen, erinnert Het Belang van Limburg.
Het Nieuwsblad glaubt: Diesem Ballon, den die N-VA mit ihrer Kernenergie-Idee da jetzt hat aufsteigen lassen, wird die Luft schneller ausgehen, als einem Fahrradreifen in einem Kaktusfeld. Die N-VA weiß das nur zu gut. Ihr Kongress vom Wochenende, auf dem Shellenberger unter viel Applaus reden durfte, sollte vor allem zeigen: Die N-VA beschäftigt sich auch mit Themen, die nicht zu ihren Kernkompetenzen gehören. Und sie bietet durchaus Lösungen an - so abstrus sie auch sein mögen, so Het Nieuwsblad.
Druck auf die Politik aufrechterhalten
Gazet van Antwerpen wundert sich. Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass wir uns gerade schon seit Wochen mit dem Thema Klima so intensiv beschäftigen? Vor einem Jahr hat diese Diskussion kaum jemanden interessiert. Auch noch im Dezember standen ganz andere Dinge im Vordergrund: der Austritt der N-VA aus der Regierung, die Diskussion um den Migrationspakt, der mögliche politische Stillstand bis zu den Wahlen etc.
Und jetzt plötzlich hat uns das Klima im Griff. Und es scheint, uns so schnell nicht loszulassen. Am Sonntag noch gingen in Gent 10.000 Menschen für eine bessere Klimapolitik auf die Straße. Die Politiker greifen die Ideen auf. Die Bewegung "Youth for Climate" ist dabei, erste konkrete Vorschläge zu formulieren. Die jungen Menschen, die jeden Donnerstag demonstrieren, sollten den Druck auf die Politik aufrechterhalten, wünscht sich Gazet van Antwerpen.
Das Messe-Prinzip
L'Avenir notiert zu den Wahlkongressen der verschiedenen Parteien: Diese Veranstaltungen funktionieren ähnlich wie die großen Messen auf dem Heysel-Gelände. Das Prinzip bei der Automesse und Batibouw ist das gleiche: Man braucht eine Reihe guter Verkäufer, die gepflegt aussehen, aber gelassen agieren und immer ein Lächeln auf dem Gesicht haben. Man stellt sein Produkt vor und preist die jüngsten Neuerungen. Man versucht, Kontakt aufzunehmen mit dem Käufer - oder eben Wähler. Und wie auf der Messe die Verkäufer, müssen auch die Politiker auf ihren Kongressen achtgeben, dass der Unterschied zwischen dem, was sie versprechen, und der Realität nicht zu groß wird, analysiert L'Avenir.
Het Laatste Nieuws blickt mit Hinsicht auf die Wahlen auf die Parteienlandschaft in Flandern und führt aus: Die Sozialisten haben sich entschlossen, den Kampf mit den Grünen aufzunehmen. Groen ist ja gerade mächtig dabei, der SP.A die Position als stärkste linke Kraft streitig zu machen. Während es links also zu Scharmützeln kommt, bleibt es auf der liberal-konservativen Seite ruhig: N-VA und OpenVLD lassen sich zurzeit in Ruhe. Die CD&V sitzt zwischen den Stühlen - typisch für eine Partei, die mal mit Links, mal mit Rechts macht. Sie könnte gut und gerne das Zünglein an der Waage werden, wenn es nach dem 26. Mai zu Koalitionsverhandlungen kommt, prophezeit Het Laatste Nieuws.
Den Worten müssen Taten folgen
La Libre Belgique kommentiert zum Anti-Missbrauchs-Gipfel der Katholischen Kirche: Papst Franziskus hat seine Kirche in die Pflicht genommen. Dabei wünscht er, dass vor allem die örtlichen Bischöfe Verantwortung übernehmen. Sie sind nahe an den Menschen, haben aber bislang nicht immer genug getan, um sexuellen Missbrauch aufzudecken. Gerade deshalb bleibt aber der Erfolg der Mission von Franziskus ungewiss. Den Worten vom Wochenende müssen unbedingt Taten folgen. Erst dann kann man von einem erfolgreichen Gipfel sprechen, mahnt La Libre Belgique.
Kay Wagner