"Entscheidender Moment für das Klima", titelt De Morgen. Die Klima-Demos häufen sich. Am Donnerstag hatten ja 35.000 Schüler und Studenten in Brüssel für eine entschlossenere Umweltschutzpolitik demonstriert. Und für die Jugendlichen ist der Klimaschutz jetzt Wahlkampfthema Nummer eins, glaubt De Morgen. Sie wollen, dass sich jetzt endlich etwas bewegt. Allerdings: Viele von ihnen dürfen noch nicht wählen, da sie noch keine 18 sind.
De Standaard bringt heute ein großes Interview mit den Gesichtern des Schülerprotests: den beiden flämischen Schülerinnen Anuna De Wever und Kyra Gantois. Im Grunde ist es ein animiertes Gespräch mit dem bekannten belgischen Klimaforscher Jean-Pascal van Ypersele, der ja auch Vizepräsident des Weltklimarates ist. Die beiden Schülerinnen erneuern dabei ihre Kritik an den derzeitigen politisch Verantwortlichen. Der Vorwurf sinngemäß: Die Politik hat nach wie vor das Problem nicht erfasst, insbesondere seine Dringlichkeit. Klimaforscher van Ypersele macht den Schülerinnen jedenfalls Mut, wie De Standaard in einer Schlagzeile auf seiner Titelseite hervorhebt: "Macht weiter! Ihr habt mehr Macht, als ihr denkt!"
Auf Seite eins von L'Echo appelliert die Ecolo-Ko-Präsidentin Zakia Khattabi an ihre Kollegen Politiker, dass sie die Proteste insbesondere der Jugendlichen ernstnehmen sollten: "Wenn wir den Schülern zeigen, dass wir ihre Message verstanden haben, dann kehren sie auch wieder in die Klassenzimmer zurück".
Das Klima ist im Wahlprogramm angekommen
Apropos Interview, apropos Klima: La Dernière Heure bringt heute exklusiv ein Gespräch mit PS-Chef Elio Di Rupo. Seine Botschaft: "Es sind die Reichen, die die Anstrengungen in Sachen Klimaschutz bezahlen müssen."
Morgen steht ja schon die nächste Klimakundgebung in Brüssel an. Diesmal ist es so etwas wie die Fortsetzung des "Marschs für das Klima", der Anfang Dezember rund 75.000 Teilnehmer auf die Beine brachte. "Wir waren 75.000, und sie haben unsere Botschaft nicht gehört, also kommen wir zurück", sagen Demonstranten in Het Nieuwsblad. "Auch Ostbelgier gehen auf die Straße", notiert dazu das GrenzEcho.
"Klima-Demos und kein Ende", stellt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel fest. Längst sind es nicht mehr nur die Schüler, die in Massen für eine entschlossenere Klimaschutzpolitik demonstrieren. Inzwischen schließen sich ja schon Studenten und sogar "Klima-Omas" und "-Opas" den Protesten an. Die Reaktionen aus der Politik sind und bleiben allerdings enttäuschend. Wirklich überraschend ist das aber nicht. Nicht vergessen: In vier Monaten stehen Wahlen an. Da ist es nicht verwunderlich, dass von den Parteien, mit Ausnahme der Grünen, nicht viel Konkretes kommt. Stattdessen sehen wir skurrile Szenen, etwa wenn die föderale Energieministerin Marie-Christine Marghem partout nicht versteht, dass sich der Protest vor allem gegen ihre Politik richtet. Oder wenn die flämische Umweltministerin Joke Schauvliege die Demos als Unterstützung für ihre Politik ansieht. Eines haben die Demonstranten aber wohl schon erreicht, nämlich, dass die Parteien jetzt hopplahopp ihre Wahlprogramme um das Kapitel Klimaschutz ergänzen.
"Butter bei die Fische"
Die Politik stolpert durch die Energie- und Klimaschutzproblematik, stellt auch L'Echo fest. Von der Straße kommt derweil ein Appell nach dem Motto "Butter bei die Fische". Die Bürger erwarten von ihren politisch Verantwortlichen ein Quäntchen Intelligenz, ein Fitzelchen Aufrichtigkeit und eine Prise Zukunftsvision. Gerade erst hat ein Forschungsinstitut festgestellt, dass 2018 das viertwärmste Jahr aller Zeiten war – nach 2015, 2016 und 2017. Hinweis an die Politiker: Vergessen Sie nicht, das Licht auszumachen.
Das GrenzEcho glaubt seinerseits nicht uneingeschränkt an die "Macht der Straße". Die Frage ist: Wo hört die ehrliche Sorge um die Zukunft auf und ab wann geht es nur noch um den Hype? Der Brexit ist ein Paradebeispiel dafür, wie wichtig es ist, nicht nur "dabei zu sein", sondern auch etwas davon zu verstehen, wofür man auf die Straße geht oder wofür man mit "Ja" oder mit "Nein" stimmt. Die repräsentative Demokratie bleibt unerreicht. Schade nur, dass so mancher "Volksvertreter" wohl vergessen hat, dass seine erste Aufgabe ist, das Volk zu vertreten.
Das "R-Wort" und das "C-Wort"
Auch De Standaard blickt in seinem Kommentar mit Sorgenfalten auf die Welt: "Das R-Wort ist zurück", meint das Blatt. Wir sprechen wieder über Rezession. Beziehungsweise: Wir sprechen eigentlich eben nicht darüber. IWF-Chefin Christine Lagarde wird vom Weltwirtschaftsforum in Davos zitiert mit den Worten, dass sie nicht mit einer Rezession rechne: EZB-Präsident Mario Draghi meinte seinerseits, die Gefahr einer Rezession bleibe niedrig. Zwei Dementi also, aber das böse Wort ist gefallen. Tatsächlich sind es für die Weltwirtschaft unruhige Zeiten, man denke nur an die amerikanischen Handelskonflikte, den Brexit oder den zunehmenden Populismus in Europa. Eine Atempause nach Jahren des Aufschwungs wäre nicht abnormal. Diesmal muss man sich aber fragen, ob nicht Schlimmeres droht. Eines ist klar: Die Welt ist unvorhersehbarer geworden.
La Libre Belgique blickt ebenfalls nach Davos, beschäftigt sich ihrerseits aber mit dem aufstrebenden China. Das Reich der Mitte sorgt bei vielen zunehmend für Unbehagen. Der ungarischstämmige amerikanische Milliardär George Soros hatte gerade erst den chinesischen Präsidenten Xi Jinping als den, Zitat, "gefährlichsten Feind offener Gesellschaften" bezeichnet. Und bei vielen China-Kennern läuft er damit offene Türen ein. Auf der anderen Seite ist der Westen mit sich selbst beschäftigt: Die Amerikaner geben gerade ihre Vorherrschaft aus der Hand, Frankreich ist mit den Gelbwesten beschäftigt, Großbritannien mit dem Brexit und Deutschland steht einer Rückkehr der extrem Rechten gegenüber. Im Moment sieht man nicht wirklich, wer das Banner der Demokratie hochhalten und damit der chinesischen Herausforderung gewachsen wäre.
Roger Pint