"15.000 Teilnehmer erwartet, 65.000 auf der Straße für das Klima", titelt Gazet van Antwerpen. "Eine Menschenmenge für den Planeten", notiert La Dernière Heure auf Seite eins. "Ein Marsch für die Geschichtsbücher", so die Schlagzeile bei De Morgen. An dem Marsch für das Klima haben gestern in Brüssel zwischen 65.000 und 75.000 Menschen teilgenommen. Das waren viel mehr als erwartet. Die Proteste verliefen bis zum Schluss friedlich.
La Libre Belgique kommentiert: Massenhaft junge Menschen, Familien, Großeltern, alternative Wohlstandsbürger, Arbeiter, Freiberufler, Gewerkschafter, eine Handvoll Gelbwesten und sogar ein paar Politiker: Das war gestern eine Ansammlung von Menschen, die weit über den Kreis der gewöhnlichen Umweltaktivisten hinausgeht. Alle hatten die gleiche Botschaft: Politik und Wirtschaft sollen endlich wirksam etwas dafür tun, damit der Klimawandel gestoppt wird. Durch ihren Protest sagten die Menschen: "Wir sind zum Wandel bereit. Auch zu den Einschränkungen, die das für unser persönliches Leben bedeutet". Gleichzeitig richteten sie eine Frage an Politik und Wirtschaft. Nämlich: "Wie sieht es mit euch aus?", fasst La Libre Belgique den Tag zusammen.
Le Soir hat Ähnliches beobachtet und warnt: Politik und Wirtschaft sollten diesen Aufruf der Menschen ernst nehmen. Ein Weitermachen wie bisher geht nicht. Sonst droht sozialer Unfrieden. Politik und Wirtschaft sollten schnell dafür sorgen, dass sie ihre oft schönen Diskurse auch in konkrete Taten umsetzen, fordert Le Soir.
Politiker hielten sich zurück - fast alle
L'Avenir bemerkt: Es war wohltuend zu sehen, dass sich die Politiker gestern im Hintergrund gehalten haben. Sie waren vor allem am Ende des Protestmarsches zu finden und hielten sich mit politischen Äußerungen zurück. Ausnahme: Marie-Christine Marghem. Die föderale Umweltministerin teilte gegen Flandern aus. Ein trauriges Zeichen der Unfähigkeit der Politik, für ihr Versagen gerade zu stehen. Und auch dafür, wie wenig sie den Sinn der Demonstration verstanden hat: Es ging weniger um Schuldzuweisungen, als darum, endlich etwas zu tun, so L'Avenir.
De Standaard ist in diesem Zusammenhang davon überzeugt, dass es ohne radikale Maßnahmen nicht geht und führt aus: Deshalb ist es auch falsch, Visionäre, die zunächst vielleicht abwegig erscheinende Ideen für eine klimafreundlichere Gesellschaft äußern, als Spinner abzutun. Vielmehr sollte man solche Menschen fördern. Kreativität und Innovationen sind unbedingt nötig, um schnell Erfolge bei einer besseren Umwelt- und Klimapolitik zu erzielen, weiß De Standaard.
Neues Schulfach Klima
De Morgen schreibt: Eine Möglichkeit, das Bewusstsein für Klimapolitik und den Umgang mit der Thematik zu verbessern, wäre es, ein Schulfach Klima einzuführen. Dann könnte die Lehrerin, die wir gestern getroffen haben, ihren Schülern auch erklären, warum Biologen davon ausgehen, dass die Menschheit gerade dabei ist, an ihrem eigenen Aussterben zu arbeiten. Man könnte jungen Menschen erklären, welche Fehler die vorausgegangenen Generationen gemacht haben. Und ihnen auch beibringen, wer den Dieselmotor erfunden hat, so De Morgen.
Het Nieuwsblad rät: Vielleicht sollten die Klimaaktivisten nicht mit Eisbären auf ihr Anliegen aufmerksam machen, sondern mit Flüchtlingen. Mit dem Hinweis darauf, dass die Erderwärmung die Menschen dazu treibt, ihre Länder zu verlassen, um nach Europa zu kommen. Denn dass man gegen Flüchtlinge etwas tun muss, darin scheinen die meisten Politiker ja einer Meinung zu sein. Wenn man durch bessere Klimapolitik die Migrationsproblematik beenden könnte, würde Klimapolitik unglaublich schnell und tatkräftig angepackt, ätzt Het Nieuwsblad.
Marrakesch oder Marracrash?
Het Belang van Limburg beschäftigt sich mit dem Streit um die Unterzeichnung des UN-Migrationspakts und notiert: Der Countdown läuft. Diese Woche wird entscheidend sein, ob Premierminister Michel genau in einer Woche in Marrakesch sein wird, um den Pakt zu unterzeichnen. Heute ruft er seine Vizepremiers zusammen. Morgen werden Experten im Kammerausschuss angehört, am Donnerstag soll es Abstimmungen im Plenum der Kammer geben. Wahrscheinlich wissen wir dann, wohin der Hase läuft. Für die N-VA kündigt sich das Alles nicht sehr vorteilhaft an. Sie wollte mit ihrer plötzlichen Kritik am Migrationspakt ein Zeichen setzen. Denn der Vlaams Belang war drauf und dran, die N-VA als pro-Migrationspartei abzustempeln. Was die N-VA natürlich nicht akzeptieren kann. Der Konflikt kommt für die Partei aber zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Denn außer bei Rechtsaußen kann man mit der Thematik kaum Wählerstimmen gewinnen. Für die N-VA geht es darum, ob man jetzt klein beigibt oder die Regierung zu Fall bringt. Marrakesch oder Marracrash, das ist hier die Frage, glaubt Het Belang van Limburg.
Het Laatste Nieuws beobachtet: Es ist auffällig, dass Bart De Wever in diesem Streit bislang schweigt. Er lässt andere, vor allem Francken und Jambon, die Sache für die N-VA ausfechten. Wahrscheinlich ist das Strategie. Denn sollte die Regierung an der Frage zerbrechen, geht es darum, einer anderen Partei die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben. Das weiß Bart De Wever. Und es sieht so aus, als ob er sich als gewiefter Stratege darauf vorbereitet, vermutet Het Laatste Nieuws.
Kay Wagner