"Eine Milliarde Euro Geldstrafen wurden nicht bezahlt", titeln fast gleichlautend De Tijd und L'Echo. Die beiden Wirtschaftszeitungen berichten, dass in den vergangenen fünf Jahren eine Milliarde Euro an Geldstrafen nicht von den verurteilten Straftätern eingezogen wurde.
Als Grund nennen die Zeitungen unter anderem den Mangel an Personal, um die verhängten Strafen auch tatsächlich umzusetzen. Dazu kommentiert L'Echo: Die Zahlen sind beängstigend. Jedes Jahr lässt sich der belgische Staat zehntausende Millionen Euro durch die Lappen gehen. Geld, das gut gebraucht werden könnte. Beängstigend ist aber auch zu sehen, wie wenig durchsetzungsfähig unsere Justiz ist. Wie soll man vertrauen in eine Obrigkeit bekommen, die nicht fähig ist, ihre Entscheidungen durchzusetzen? Belgien ist dafür bekannt, dass Kriminelle jeglicher Art hier mit ein paar Ratschlägen und guten Tipps ihr illegal angeeigneten Vermögen unbehelligt verwalten können.
Um das zu ändern, könnte die Schweiz als Vorbild dienen. Dort hat der Staat keine Kosten gescheut, um die Ermittlungsabteilung der Staatsanwaltschaft personell massiv zu verstärken. Die Ergebnisse in der Schweiz zeigen, dass diese Investitionen sich absolut gelohnt haben, weiß L'Echo.
Kampf um das konkrete Geld
De Tijd geht in ihrem Leitartikel auf die Lohnentwicklung in Belgien ein und führt aus: Die Gewerkschaften schlagen einmal wieder Alarm. Gestern hat der Zentrale Wirtschaftsrat bekanntgegeben, dass es in den kommenden zwei Jahren wohl keine Margen für Lohnerhöhungen geben wird.
Für die Gewerkschaften ist das natürlich nicht zu akzeptieren. Zumal es vielen Betrieben gut geht, teils hohe Gewinne gemacht werden und die Arbeitslosigkeit niedrig ist. Tatsächlich ist es fraglich, ob zentrale Tarifvereinbarungen, die dann für alle Unternehmen gelten, noch zeitgemäß sind. Wenn jedes einzelne Unternehmen mit seinen Mitarbeitern die Löhne festlegen könnte, gäbe es auch in den zwei kommenden Jahren vielleicht Spielräume. Die Gewerkschaften müssen sich fragen, ob sie so einer Entwicklung zustimmen können, notiert De Tijd.
Het Nieuwsblad beschäftigt sich mit den Protesten der Gelbwesten und schreibt: Das Phänomen ist beachtlich und interessant. Der Protest der Gelbwesten, der jetzt auch Flandern erreicht hat, richtet sich auf etwas ganz Konkretes: nämlich auf das Geld, das jeder Bürger in seiner Tasche hat.
Hier können Politiker nicht so reagieren, wie sie es sonst gerne tun, zum Beispiel bei Haushaltsdebatten, wo es um zig Millionen geht, der Eine dies, der Andere das sagt. Hier und dort geschoben wird, bei dem einen alles ausgeglichen ist, wo der Andere große Defizite sieht.
Nein, die Rechnungen, die die Gelbwesten präsentieren, sind ihre eigenen. Sie merken ganz konkret, ob sie am Ende des Monats noch Geld haben oder nicht. Diese Menschen kann man nicht mit leeren Worthülsen beruhigen, warnt Het Nieuwsblad.
Revolution – Ja, wo ist sie denn?
La Libre Belgique schreibt zur Entwicklung der Regionalexpressbahn RER: Gestern wurde in Flandern ein weiterer Streckenabschnitt eingeweiht, die RER ist in Flandern zu 99 Prozent fertig.
Doch in der Wallonie und in Brüssel sieht das ganz anders aus. Hier sollte die RER 2012 schon rollen, jetzt soll die erste Linie zwischen Brüssel und Ottignies erst Ende 2025 fertig sein. Warum? Zunächst, weil nicht genügend Geld zur Verfügung gestellt wurde und jetzt wegen politischer Spielchen zwischen Wallonen, Flamen und der Föderalregierung.
Jämmerlich ist das. Denn so bekommt man die Bürger nicht dazu, ihr Auto stehen zu lassen, schimpft La Libre Belgique.
Ähnlich kritisiert L'Avenir: Wie kann man auf der einen Seite das Ende des Autos predigen, es gleichzeitig aber versäumen, massiv in Alternativen zu investieren? Bus und Bahn sind in der Wallonie immer noch keine Alternative zum Auto.
Am Sonntag, wenn im Brüssel die große Klimademonstration stattfinden wird, werden auch viele Politiker dabei sein und zur Rettung der Erde aufrufen. Aber wenn man eine Revolution machen will, muss man sich die Mittel dafür geben. Sonst ist die Revolution zum Scheitern verdammt, erinnert L'Avenir.
Entscheidungen sind gefragt
De Morgen kritisiert in diesem Zusammenhang die EU-Kommission und führt aus: Gestern hat die Kommission ihre Pläne verkündet, Europa bis 2050 klimaneutral zu gestalten. Das ist auch dringend nötig. Aber die gleiche Kommission wacht auch mit Argusaugen darüber, dass die EU-Mitgliedstaaten eine strenge Haushaltsdisziplin beachten. Das verhindert massive Investitionen in neue Technologien, die ein klimaneutrales Europa ermöglichen könnten.
Die Frage ist, was wichtiger ist. Eine gesunde Welt oder ein gesunder Haushalt?, fragt rhetorisch De Morgen.
De Standaard schreibt zur Debatte um den UN-Migrationspakt: Jetzt sollen also vier Experten des internationalen Rechts überprüfen, welche rechtliche Konsequenzen der UN-Pakt für Belgien haben könnte. Das Ergebnis wird an dem Streit nichts ändern, denn hier geht es längst um Symbolik. Wer sich nur abschotten und Grenzen bauen will, der unterschriebt den Pakt nicht. Wer gemeinsam mit anderen nach Lösungen der Migration in der Welt suchen möchte, der setzt sich für den Pakt ein. In Belgien scheinen die Fronten da schon geklärt, stellt De Standaard fest.
Kay Wagner