"May nimmt erste Hürde", titelt De Standaard. "Ein wichtiger Schritt in Richtung Brexit", glaubt L'Echo. Und La Libre Belgique schreibt: "May bekommt grünes Licht für einvernehmliche Scheidung".
Die belgischen Tageszeitungen kommentieren heute das "O.K." der britischen Regierung für das vorläufige Austrittsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU. De Tijd schreibt dazu: Gestern wurde deutlich, wie komplex es ist, aus der EU auszutreten. Vom jahrelangen nichtssagenden Mantra "Brexit means Brexit" sind wir gestern bei einem 585-seitigen Text gelandet, der die Unterstützung der EU-Kommission und der britischen Regierung hat. Dafür war in London eine nervenaufreibende Sitzung von mehr als fünf Stunden nötig. Aber zumindest ist dieser Schritt jetzt endlich gemacht. Die Entscheidung, die die Briten im Juni 2016 getroffen haben, ist nun mal das, was sie ist. In diesem Kontext scheint der Deal, der gestern Abend vorgestellt wurde, ein akzeptabler Vorschlag. Hindernisse für den Warenverkehr soll es nicht geben. Nur für die Behörden wird es lästig. Für Nordirland liegt eine Lösung auf dem Tisch, die eine zweite und gründliche Bewertung verdient, aber auf den ersten Blick kann das funktionieren, glaubt De Tijd.
Was will man mehr (als Europäer)?
Für Le Soir ist das Abkommen aus rein europäischer Sicht gar nicht mal so schlecht. Der vorübergehende oder vielleicht sogar dauerhafte Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Zollunion ist für die EU die bestmögliche Notlösung: Großbritannien bleibt im Großen und Ganzen wirtschaftlich integriert, hat aber kein Stimmrecht mehr. Was will man mehr? Auf britischer Seite allerdings kann man sich kaum vorstellen, dass irgendeines der politischen Lager dem Text etwas Positives abgewinnen kann.
Für die Brexiteers steht die Aussicht, zwei oder drei Jahre oder vielleicht sogar auf Dauer in der Zollunion zu bleiben, im krassen Widerspruch zum Prinzip des Brexits. Das Vereinigte Königreich kann dann keine Handelsabkommen mit anderen Ländern abschließen, so wie es sich die Brexiteers erträumt haben. Und: Das Land wäre an Regeln gebunden, auf die es keinen Einfluss hat und deren Einhaltung vom Europäischen Gerichtshof überwacht würde.
"Vasallenstaat" nennt das Brexit-Hardliner Boris Johnson und hat dafür einmal nicht Unrecht. Für die Befürworter eines Verbleibs in der EU gibt es ebenfalls gute Gründe, wütend über das Abkommen zu sein: Anstatt ein mächtiges und einflussreiches Vollmitglied des weltweit größten Wirtschaftsraumes zu bleiben, wird Großbritannien zum Anhängsel. Sich Gesetzen unterwerfen zu müssen, ohne an deren Erstellung beteiligt zu sein, ist für die Pro-Europäer genauso unerträglich wie für die Befürworter einer harten Trennung von der EU, analysiert Le Soir.
Het Laatste Nieuws meint dazu: Bis die beiden sich scheidenden Parteien ein Handelsabkommen verhandelt haben, was noch Jahre dauern kann, bleiben die Briten mit Händen und Füßen an die Entscheidungen von Brüssel gebunden. Mit der Nuance, dass sie eben nichts mehr zu sagen haben. Man könnte sagen, dass May schlecht verhandelt hat. Man kann es aber auch als den Punkt sehen, an dem Populismus endet und die Realität beginnt, stichelt Het Laatste Nieuws.
Keine Solidarität für Homöopathie mehr
"Christliche Krankenkasse beendet Rückerstattung von Homöopathie", meldet heute Het Nieuwsblad. 15 Jahre lang hat die größte Krankenkasse Belgiens einen Teil der Kosten für homöopathische Mittel zurückerstattet. Ab Januar ist das vorbei. Eine sinnvolle Entscheidung, findet die Zeitung. Es gibt ausreichend wissenschaftliche Untersuchungen, die beweisen, dass diese Mittel kaum Wirkung haben. Der einzige Effekt ist ein Placeboeffekt im Verbund mit einem offenen Ohr. Wer solche Mittel gebraucht, kann das in aller Freiheit tun. Und wer sich dadurch besser fühlt, sollte das auch absolut weiterhin tun. Die Frage ist allein, ob die anderen, mit ihrem jährlichen Beitrag, damit solidarisch sein müssen. Die Christliche Krankenkasse hat diese Frage für ihre Mitglieder beantwortet, stellt Het Nieuwsblad fest.
Oft nur zweite Wahl
De Morgen beschäftigt sich mit dem Lehrermangel in Flandern: Laut Recherchen der Zeitung fehlen derzeit rund 1.000 Lehrkräfte sowohl im Grundschul-, als auch im Sekundarschulwesen. Das ist eine gigantische Lücke, findet De Morgen. Die Situation ist vor allem deshalb ernst, weil ein Mangel an Lehrern besondere und unmittelbare Folgen für die Qualität des Unterrichts hat. Und damit auch für das Zusammenleben und den späteren Wohlstand aller.
Im derzeitigen Kulturkrieg über das Unterrichtsniveau geht es oft um Lehrpläne, Umstrukturierungen und die Höhe der Messlatte. Aber selten wird dabei die Position der Lehrkräfte berücksichtigt. Zu unterrichten sollte eine der schönsten gesellschaftlichen Aufgaben sein. Für viele junge Lehrer ist der Beruf in der heutigen Situation aber oft nur zweite Wahl, bedauert De Morgen.
Volker Krings