"Die Welt feiert den Frieden", titelt La Libre Belgique. "Paris, Hauptstadt des Friedens", so die Überschrift von Le Soir. Am Sonntag haben sich in Paris viele Staats- und Regierungschefs aus aller Welt getroffen, um an das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren zu erinnern. Trotz des schlechten Wetters entstanden einige bemerkenswerte Fotos.
Auf einem davon ist die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu sehen, in geradezu intimer Zweisamkeit hat sie ihren Kopf auf seine Schulter gelegt. La Libre Belgique begrüßt diese Einigkeit: Die deutsch-französische Freundschaft ist essenziell für den Frieden in Europa. Außerdem begrüßt die Zeitung die Rede von Präsident Macron: "Patriotismus ist genau das Gegenteil von Nationalismus", sagte Macron gewandt an Amtskollegen wie Donald Trump und Wladimir Putin. Denn wenn die Geschichte droht, sich zu wiederholen, dann weil bestimmte Regierende den Weg der Abschottung und des Nationalismus wählen, meint La Libre Belgique.
Macron hat die drohende Möglichkeit eines weltweiten Abdriftens offen angesprochen, schreibt Le Soir. Auch Angela Merkel hat zum Kampf für den Frieden aufgerufen. Beide beschwören den Zusammenhalt, das "Wir". Aber welches Wir, wenn der amerikanische Präsident bei Kritik an nationalistischer Politik nicht einmal mit der Wimper zuckt? Außerdem schwächt der angekündigte Rückzug von Bundeskanzlerin Merkel das Wir. Verkommen diese Appelle in der Anwesenheit von Gesellen wie Trump und Putin dann nicht zur Farce?, fragt sich Le Soir.
Fehl-Casting auf den Champs-Elysées
Das findet auch De Morgen. Die Anwesenheit autoritärer Regenten wie Recep Erdogan und Wladimir Putin kann wohl als Fehl-Casting umschrieben werden. Angesichts des Kriegs in der Ukraine und der Bombardements in Syrien verdient der russische Präsident es nicht, mit den Worten "Nie mehr Krieg" in Verbindung gebracht zu werden. Aber auch die Worte von Macron hatten etwas Heuchlerisches. In Zentraleuropa mag es 70 Jahre lang keinen Krieg gegeben zu haben. Aber europäische Länder unterstützen heute autoritäre und sogar gewaltsame Regierende weltweit und verkaufen ihnen Waffen für Milliarden von Euros. Auch Belgien, betont De Morgen.
Das GrenzEcho warnt eindringlich vor Nationalismus. Angetrieben durch übertriebenen Nationalismus stand man sich Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts in Europa feindselig gegenüber. Heute nähern wir uns wieder mit großen Schritten erneut dieser fatalen Denkweise. Wenn selbst der Lenker des mächtigsten Staates dieser Erde, der USA, sich selbst als Nationalisten bezeichnet, und versucht der ganzen Welt seine beziehungsweise die Sichtweise seines Landes zu diktieren, dann müssten überall die Alarmglocken schrillen. Aber sie bleiben stumm, bemängelt der Leitartikler.
Das Ende des "Cordon Sanitaire?"
Die meisten flämischen Zeitungen beschäftigen sich in ihren Leitartikeln mit der Koalition von SP.A und PVDA in Zelzate. Dort wird es nun erstmals zwei linksradikale Schöffen geben. N-VA und OpenVLD kritisieren das scharf. Hat die SP.A den "Cordon sanitaire" gebrochen?, fragt Het Nieuwsblad. Der Cordon sanitaire ist eine Absprache flämischer Parteien, keine Koalition mit dem rechtsradikalen Vlaams Belang einzugehen. Und deshalb hat die SP.A die Absprache auch nicht gebrochen, findet Het Nieuwsblad. Zudem stammt der Cordon sanitaire aus einer anderen Zeit. Er wurde geschlossen von einer anderen Generation Politiker. Und wenn wir uns die Wahlergebnisse des Vlaams Belang heute anschauen, sehen wir: Der Plan dieser Politiker hat nicht funktioniert, stellt Het Nieuwsblad fest.
Auch De Standaard kommentiert die Polemik um die ersten linksradikalen Schöffen in Belgien. Zelzate liegt am Gent-Terneuzen-Kanal und natürlich bricht dort jetzt nicht der Damm. Ein Systemwechsel, wie ihn die PTB in Molenbeek oder Lüttich vorhatte, ist in Zelzate vorläufig nicht geplant. Es zeigt sich, an der rechten Seite bleibt das Risiko wie immer größer. De Standaard nimmt das Beispiel der Forza Ninove. Die Politiker der rechten Gruppierung fallen immer wieder mit rassistischen Ausfällen auf. Ja, die PVDA will das kapitalistische System ändern, aber auf dem parlamentarischen Weg, so De Standaard.
Ob Zelzate das Ende des Cordon sanitaire bedeutet, hängt nun von N-VA-Chef Bart De Wever ab, findet Het Belang van Limburg. Der Vlaams Belang ruft schon lange nach einer flämischen rechten Front. Eine Idee, die De Wever nicht ungelegen ist. Und die N-VA muss nach einer neuen Strategie für den Umgang mit dem Vlaams Belang suchen. Vielleicht beginnt diese jetzt auf der anderen Seite von Ostflandern. Forza Ninove sucht immer noch nach einem Koalitionspartner. Aber ist De Wever wirklich bereit, den Cordon sanitaire aufzukündigen?, fragt Het Belang van Limburg.
Peter Eßer