"In sieben von zehn flämischen Gemeinden gibt es Vorwahlabkommen", titeln Het Laatste Nieuws und De Morgen. Das zumindest behauptet ein Politikwissenschaftler der Universität Hasselt. Im Vorfeld der Kommunalwahlen wollen also viele Listen auf Nummer sicher gehen und haben sich schon einmal potentielle Partner ausgesucht, mit denen sie – wenn möglich – eine Koalition bilden wollen.
Das sind natürlich unerfreuliche Erkenntnisse, meint De Morgen in seinem Leitartikel. Gerade Kommunalwahlen sollten doch eigentlich ein Hochamt der Demokratie sein. Die Gemeinden sind schließlich näher am Bürger als jede andere Machtebene. Und ausgerechnet hier sind die Karten also vielerorts gezinkt. Vorwahlabkommen sind an sich ja nichts Neues. Und klar, der Wähler hat immer noch das letzte Wort. Das größte Problem ist aber, dass solche Vorwahlabkommen in der Regel in irgendwelchen Hinterzimmern ausgehandelt werden. Außerdem besteht hier die Gefahr, dass solche Zweckehen aufgrund von übergeordneten Parteiinteressen zustande kommen. Wirklich lokalpolitische Themen spielen da manchmal nur eine untergeordnete Rolle. Und gerade bei Kommunalwahlen ist so etwas tragisch.
Staatliche Hilfe für Terroropfer
"Der Staat will Terroropfer künftig selbst entschädigen", so derweil die Aufmachergeschichte von Het Belang van Limburg. Nach den Anschlägen vom 22. März hatten die Opfer und Angehörigen oft eine wahre Odyssee auf sich nehmen müssen, um allein für ihre medizinischen Kosten entschädigt zu werden. Viele von ihnen hatten das auch vor dem Untersuchungsausschuss angeprangert, der die Anschläge aufarbeiten sollte. Die Nachfolgekommission präsentiert jetzt also einen Gesetzesvorschlag, der Abhilfe schaffen soll. Demnach würde zunächst der Staat einspringen, der sich dann später mit den Versicherungen einigt.
"Schäm dich, Europa!"
Viele Zeitungen beschäftigen sich in ihren Leitartikeln vor allem mit der jüngsten Entwicklung in der Migrations- und Flüchtlingskrise: Die italienische Regierung ist jetzt in die Offensive gegangen und fordert die EU ultimativ dazu auf, eine wirkliche Umverteilung der Migranten durchzusetzen. Unmittelbarer Anlass ist die Ankunft eines neuen Seerettungsschiffs in Sizilien. Die italienischen Behörden erlauben es den geretteten Migranten nicht, von Bord zu gehen. 150 von ihnen harren seit knapp einer Woche im Hafen von Catania aus. Rom will sie nur anlanden lassen, wenn sich andere EU-Länder bereit erklären, einige der Migranten aufzunehmen. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, drohte Vize-Regierungschef Luigi Di Maio sogar damit, die Beitragszahlungen an die EU auszusetzen.
"Schäm dich, Europa!", wettert Het Laatste Nieuws. Das Wort "Solidarität" kann noch so oft in alle 24 Amtssprachen übersetzt werden; und doch lässt man Italien an all seinen Transitmigranten ersticken. Jeder für sich, so lautet die Devise.
Italien spielt hier mit dem Feuer, warnt Le Soir seinerseits in seinem Kommentar. Zunächst einmal missbraucht die Regierung das Schicksal von 150 Unglücklichen, um Finanzforderungen in den Raum zu stellen. Falls die wirklich ernst gemeint sind, dann riskiert Rom aber eine regelrechte Katastrophe. Nicht nur, dass dadurch die EU als solche gefährdet würde, zuallererst würden wohl die italienische Wirtschaft und auch der Finanzsektor abschmieren. Doch selbst die vernünftigsten Argumente scheinen die neuen Herren Italiens nicht zu erreichen. Die unheilige Allianz aus der rechtsextremen Lega und der anarchopopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung ist ohnehin mit sich selbst beschäftigt. Beide Parteien wollen sich in erster Linie profilieren. Und das macht die Lage besonders gefährlich.
Genau dieser Profilierungsdrang vergiftet die ganze Migrationsdebatte, findet auch Het Belang van Limburg. Konkretes Beispiel: Der N-VA-Asylstaatssekretär Theo Francken war oft genug einer Meinung mit dem italienischen Innenminister Matteo Salvini. Jetzt, wo Italien die anderen Länder dazu auffordert, Migranten aufzunehmen, jetzt ist das freilich anders. Francken hat ja sehr deutlich klargemacht, dass Belgien keine Bootsflüchtlinge mehr aufnehmen will. Selbst Gleichgesinnte geraten also irgendwann aneinander, nämlich dann, wenn es um die eigenen Wähler geht.
In der Sache ist die italienische Haltung nichtsdestotrotz zumindest nachvollziehbar, meint De Standaard sinngemäß. Man muss doch zugeben, dass die EU-Partner Italien mit der Migrationsproblematik alleine gelassen haben. Das eigentliche Problem ist eben diese totale Uneinigkeit in der Migrationspolitik. Grund dafür ist wohl auch die Realitätsverweigerung insbesondere in Osteuropa. Nur weil man stur wegschaut, wird der Migrationsdruck an den europäischen Grenzen nicht verschwinden. Eine langfristige Politik beginnt mit dieser Erkenntnis: Abschottung wird nicht funktionieren. Der einzige Weg ist eine geordnete Migration.
De Tijd sieht das ähnlich: Grundvoraussetzung für eine nüchterne Debatte über eine europäische Migrationspolitik ist aber eben, dass die Migration erst einmal unter Kontrolle gebracht wird. Dass die Außengrenzen wirklich geschützt werden. Dass es klare Regeln gibt, wer bleiben darf und wer nicht. Dass es schnelle und effiziente Prozeduren gibt für abgewiesene Asylbewerber. Erst wenn all das gegeben ist, ist eine wirkliche Debatte möglich. Für die EU muss das eine absolute Priorität sein. Anderenfalls reden wir schon bald über das mögliche Ende der Schengenzone.
Vertrag erfüllen
Einige Blätter bringen schließlich Interviews mit dem Fußballnationaltrainer Roberto Martinez. "Ich habe mir keins der WM-Spiele nochmal angeschaut", sagt er auf Seite eins von Het Nieuwsblad. Er wolle die Spiele so in Erinnerung behalten, wie er sie erlebt hat. Und in La Dernière Heure sagt Martinez: Klar haben mich nach der WM einige Clubs angerufen. Er wolle aber seinen Vertrag mit dem belgischen Fußballbund erfüllen, verspricht er.
Roger Pint