"Hoffen auf ein Wunder in Genua", notiert Het Nieuwsblad auf Seite eins. "40 Brücken in der Wallonie werden als 'gefährdet' eingestuft", titelt La Libre Belgique. Und Gazet van Antwerpen fragt: "Wann werden die Problembrücken in Antwerpen repariert?"
Der Einsturz einer vielbefahrenen Brücke in Genua mit rund 40 Toten beschäftigt die Zeitungen auch am Freitag noch. La Libre Belgique schreibt in ihrem Leitartikel: Der Versuch der italienischen Regierung, der EU die Schuld für das Drama in die Schuhe zu schieben, ist gescheitert. Die EU hat am Donnerstag klargestellt, dass Italien Milliarden Euro für seine Verkehrsinfrastruktur bekommen hat. Das Problem ist nur, dass die Italiener das Geld augenscheinlich nicht für diesen Zweck benutzt haben.
Dieses Problem ist nicht nur auf Italien beschränkt. Jede Regierung in jedem EU-Land hat Angst davor, wichtige Verkehrsadern zu schließen, um sie zu reparieren. Denn der Zorn der Autofahrer ist den Regierungen dann gewiss. Doch darf das kein Grund sein, nötige Maßnahmen auszuführen. Der Zorn der Autofahrer ist nichts im Vergleich zu einer Katastrophe, wie sie gerade in Genua passiert ist, weiß La Libre Belgique.
"Eine Brücke beklagt sich nicht"
Die Wirtschaftszeitung De Tijd sieht das ähnlich und notiert: Auch in Belgien muss dringend mehr in die Verkehrsinfrastruktur investiert werden. In was für einem schlechten Zustand sie ist, sehen die Autofahrer täglich in allen Regionen: Löcher in den Straßen, bröckelnde Tunnel vor allem in Brüssel. Jeder weiß, dass unsere Straßen, Brücken und Tunnel meist vor Jahrzehnten gebaut und deshalb renovierungsbedürftig sind.
Das Problem ist nur: Eine Brücke beklagt sich nicht, wenn sie kein Geld von der Regierung bekommt. Die Regierungen ihrerseits vernachlässigen nur zu gerne die Infrastruktur, um mit dem durchaus vorhandenen Geld lieber kurzfristige Projekte voranzutreiben und vor allem Wählergruppen zu beglücken. Das Drama von Genua sollte eine Warnung sein, dass dieser Weg der falsche ist, resümiert De Tijd.
Auch De Standaard findet: Wenn es um die Aufstellung neuer Haushaltspläne geht, werden Projekte für die Ausbesserung der Infrastruktur meist schnell auf die Strafbank geschickt. Bei uns in Belgien ist das besonders eklatant. Wir gehören zu den Schlusslichtern in Europa bei Investitionen in Verkehrsinfrastruktur. Es ist klar, dass sich das ändern muss. Frage nur: Wie? Und wo anfangen? Denn Belgiens marodes Straßennetz auf Vordermann zu bringen, wird unzählige Milliarden Euro kosten. Wie gehen wir mit dieser Herkulesaufgabe um, nachdem wir dank Genua auf dramatische Art daran erinnert worden sind, dass etwas getan werden muss, fragt besorgt De Standaard.
Verhärtete Fronten
Zur Einlieferung von Kindern in das geschlossene Asylabschiebezentrum in Steenokkerzeel kommentiert De Morgen: Die aktuelle Situation macht eine objektive Debatte über das Problem kaum mehr möglich. Dadurch, dass mit den ersten Kindern in dem geschlossenen Zentrum Fakten geschaffen wurden, haben sich die Fronten noch einmal verhärtet.
Auf der einen Seite verteidigt Asylstaatssekretär Theo Francken die Maßnahme, die gut in seine allgemeine Asylpolitik passt und überdies von einer breiten parlamentarischen Mehrheit unterstützt wird. Auf der anderen Seite steht vor allem eine außerparlamentarische Opposition, die fast fundamentalistisch auf dem Grundsatz verharrt: Ein Kind sperrt man nicht ein. Dabei wäre eine ruhige Debatte mit den richtigen Fragen nötig. Wenn jetzt regelmäßig Kinder in das Zentrum kommen, macht sich die Regierung unglaubwürdig in der Behauptung, dass das Einsperren von Kindern nur die allerletzte Alternative nach Versagen aller anderen Prozeduren im Asylverfahren sei, so De Morgen.
Le Soir meldet, dass statistisch gesehen jeden zweiten Tag eine ältere Person in Belgien als vermisst gemeldet wird. Viele dieser Senioren würden an Alzheimer leiden. Dazu kommentiert Le Soir: Die Wissenschaft hat es ermöglicht, dass unser Körper immer länger funktioniert. Aber das Gehirn macht dabei oft nicht mit. Gegenüber diesem Phänomen ist die Wissenschaft bislang machtlos. Wir müssen uns also darauf einstellen, auf unabsehbar Zeit mit dem Gedächtnisverlust bei älteren Menschen zu leben. Die Politik ist dazu aufgerufen, einen gesellschaftlichen Rahmen zum Umgang mit diesen Personen zu schaffen. Der es ermöglicht, trotz Alzheimer menschenwürdig und sicher zu leben, meint Le Soir.
Lesen fördert kritisches Denken
Het Nieuwsblad schreibt zur Lesekompetenz junger Flamen: Diese Kompetenz geht zurück. Sowohl gute als auch weniger gute Schüler haben immer mehr Schwierigkeiten damit, einen Text zu verstehen. Sie beherrschen zwar die Technik des Lesens, begreifen aber nicht, was sie lesen. Das ist mit Sicherheit eine Folge der modernen Zeit und der digitalen Welt. Früher war Fernsehen der Feind des Lesens. Heute ist es das Internet.
Die Vorzüge des Lesens bleiben jedoch die gleichen. Lesen schärft das Vermögen, kritisch zu denken. Nicht nur die Schule ist aufgefordert, die Lesekompetenz zu fördern. Lust am Lesen entsteht meist im Privaten, wird von Familie und Freunden gefördert. Wir müssen darauf achtgeben, dass das verstehende Lesevermögen nicht verlorengeht, warnt Het Nieuwsblad.
Kay Wagner