"Miss Belgien wird zur Zielscheibe von Rassismus", titelt Gazet van Antwerpen. "Der erste Tag der neuen Miss: Fotoshootings, Interviews und sich zwischendurch gegen Rassismus verteidigen", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Am Samstagabend ist Angeline Flor Pua zur neuen Miss Belgien gekürt worden. Die 22-Jährige kommt aus dem Antwerpener Problemviertel Borgerhout und hat philippinische Wurzeln. Es dauerte nicht lange, da gab es in sozialen Netzwerken rassistische Hasskommentare, nach dem Motto: "Mit einem solchen Namen ist das doch nie im Leben eine Belgierin" - und das ist noch ein harmloser Post.
Es folgte eine Welle der Empörung. "Das Niveau in sozialen Netzwerken hat einen neuen Tiefpunkt erreicht", reagierte etwa die föderale Anti-Diskriminierungs-Einrichtung Unia. "Aber", so bemerkt Het Laatste Nieuws: "Miss Belgien lässt sich durch die rassistischen Hasskommentare nicht aus der Ruhe bringen".
Faule Tomaten statt frischer Blumen
"Stoppt die Rassisten", fordert Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Die junge Frau legt die richtige Reaktion an den Tag: Sie gibt sich unbeeindruckt. Wieder einmal ist eine Armee von Trollen aus der Unterwelt zum Vorschein gekommen und stürzt sich auf einen Menschen, dessen Name mal eben nicht "ur-germanisch" klingt. Diesmal trifft es eine junge Antwerpenerin, die eine Piloten-Ausbildung macht, und das mit ihrem selbstersparten Geld. Lasst uns nicht länger zuschauen! Lasst uns unsere Stimme erheben! Lasst uns ein Vorbild nehmen an Miss Angeline.
Statt Blumen bekam die neue Miss im Internet gleich faule Tomaten an den Kopf geworfen, beklagt auch Het Nieuwsblad. Das ist also der Zustand des Landes. Das ist also die Reaktion einiger Mitbürger, wenn jemand zur Miss Belgien gekürt wird, der nicht direkt von Jan Breydel abstammt. Es steht schlecht um das Land, wenn selbst ein Miss-Krönchen eine schleichende Krankheit zum Vorschein bringt. Und die Politiker? Die haben sich am Wochenende selbstherrlich auf die Schultern geklopft.
"Theo ist Gott"
Das ist ein Verweis auf die diversen Neujahrsemfänge der Parteien vom vergangenen Wochenende. Besonders sichtbar war die Feier der flämischen Nationalistenpartei N-VA, die 5.000 Sympathisanten nach Mechelen gelockt hatte. "De Wever verspricht, Michel zu schonen", so bringt Het Nieuwsblad eine der Kernaussagen des N-VA-Chefs auf den Punkt. Demnach räumt De Wever ein, dass die Streitereien der letzten Wochen viel Schaden angerichtet haben.
"Aber der eigentliche Star auf dem N-VA-Neujahrsempfang, das war Theo Francken", notiert Het Laatste Nieuws. "Theo ist Gott", kann auch De Standaard nur feststellen. Tatsächlich wurde der Asyl-Staatssekretär bejubelt wie ein Rockstar. Die Diagnose eines Politikwissenschaftlers: "Märtyrer sind eben populär."
"Zum Glück ist bei all der Hysterie niemand in Ohnmacht gefallen", frotzelt Het Belang van Limburg sarkastisch. Wie sehr Theo Francken polarisiert, das zeigte sich quasi am Tag zuvor auf der Straße: In Brüssel forderten rund 6.500 Demonstranten den Rücktritt des Staatssekretärs.
Ein Wochenende voller Kontraste, analysiert auch La Dernière Heure. Dennoch ist Theo Francken wohl unterm Strich der große Gewinner der Woche. Seine Vorgängerin, Maggie De Block, hatte es im Übrigen vorgemacht: Ein Asyl-Staatssekretär muss einfach nur knallhart und eiskalt das Gesetz anwenden. De Block schaffte es damit auch schon auf Platz eins der Popularitäts-Hitparaden in allen Landesteilen.
Francken – nicht so hart, wie er aussieht?
Theo Francken geht inzwischen jedenfalls als Superstar durch, meint sinngemäß L'Avenir. In Mechelen gab es nie gesehene Szenen: unzählige Fans standen Schlange für einen Selfie mit dem Asyl-Staatssekretär. Die Affäre um die abgeschobenen Sudanesen hat der N-VA offensichtlich mehr genutzt als geschadet. Jetzt ist deutlich: Theo Francken ist das neue Zugpferd der flämischen Nationalisten.
Dabei ist er eigentlich ein weich gekochtes Ei, findet Gazet van Antwerpen. So hart wie er tut, ist Theo Francken nämlich gar nicht. Die Zahlen beweisen, dass die Vorgänger-Regierung deutlich mehr Flüchtlinge abgewiesen hat. Der Schlüssel liegt in der Kommunikation. Politiker wie Theo Francken oder auch sein Partei-Chef Bart De Wever beherrschen in Perfektion die Technik des "one-liners", in einem Satz die Dinge möglichst einfach auf den Punkt zu bringen. Popularität hat nichts mehr mit Inhalten zu tun, sondern nur noch mit Emotionen.
Terrorwarnstufe bald von drei auf zwei?
"Die Terrorwarnstufe könnte bald heruntergesetzt werden", so derweil die Aufmachergeschichte von De Morgen. Die Terrormiliz IS ist militärisch sehr geschwächt, und anscheinend verliert die Organisation auch an Anziehungskraft. Nächste Woche wird der Nationale Sicherheitsrat über die Lage beraten. Und es sei nicht auszuschließen, dass der Anti-Terror-Stab Ocam empfiehlt, die Terrorwarnstufe auf Niveau zwei zu senken. Im Moment gilt ja Stufe drei auf einer Skala bis vier.
Es gibt viele Argumente dafür, die Terrorwarnstufe abzusenken, ist De Morgen überzeugt. Zunächst gibt es so eine Art Abnutzungseffekt: An die Soldaten im Stadtbild haben wir uns längst gewöhnt. Geopolitisch und strategisch ist der IS auf dem absteigenden Ast. Das wichtigste Argument ist aber, dass man den Bürgern das Signal geben muss, dass wir die wichtigste Schlacht gegen den IS gewonnen haben, nämlich den Krieg der Ideen. Nach dem Anschlag vom 22. März hat sich gezeigt, dass unser freier Rechtsstaat stark genug ist, um dem Angriff zu widerstehen. Und dafür brauchen wir nicht notwendigerweise Soldaten in den Straßen.
Kuriose Geschichte schließlich noch unter anderem in Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen: Im Kabinett von Pensionsminister Daniel Bacquelaine flattern seit einiger Zeit Strafzettel in den Briefkasten. Dabei geht es um ein Fahrzeug mit dem Kennzeichen "A-10". Das ist tatsächlich das Nummernschild des Dienstfahrzeugs des Ministers. Wie sich herausstellte, sind die Knöllchen aber eigentlich für einen west-flämischen Geschäftsmann bestimmt. Dessen Kennzeichen: "A-IO".
Roger Pint