"Und was, wenn Theresa May ihre Wette verliert?", fragt sich La Libre Belgique auf Seite eins. Für L'Avenir ist genau das schon passiert: "Theresa May hat's verbockt", schreibt das Blatt auf seiner Titelseite.
Heute wird in Großbritannien gewählt. Die amtierende Premierministerin Theresa May hatte die Parlamentswahl vorgezogen; und ihr Plan war eigentlich, ihre Mehrheit zu stärken mit Blick auf die Brexit-Verhandlungen. Der Wahlkampf verlief aber nicht wie geplant. Statt um den Brexit drehte sich am Ende alles um die Sicherheitspolitik; dies natürlich als Folge der drei Terroranschläge, die die Insel in den letzten drei Monaten erschüttert haben.
Theresa May hat sich in jedem Fall nicht als die beste Wahlkämpferin erwiesen. Die Arbeiterpartei um den dunkelroten Jeremy Corbyn konnte spürbar aufholen. Nach einigen Umfragen könnte es am Ende sogar so richtig knapp werden. Dabei "muss May doch eigentlich mehr als nur gewinnen", bemerkt Het Belang van Limburg. Eine absolute Mehrheit ist eigentlich Pflicht.
"Mays Zukunft liegt in den Händen der Jugend", glaubt De Morgen. Laut Umfragen könnten sich insbesondere die jungen Wähler diesmal als Zünglein an der Waage erweisen. Für L'Echo droht das Vereinigte Königreich denn auch "wieder ins Taumeln zu geraten".
Theresa May hat sich das alles selbst zuzuschreiben, analysiert La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Sie war zu siegesgewiss, hat diesen überheblichen Eindruck schon vor dem Anpfiff des Spiels zu offen durchblicken lassen. Ihre Kampagne war dürftig, geprägt insbesondere von ihrer Weigerung, mit den anderen Kandidaten öffentlich zu debattieren, geprägt auch von vagen Vorschlägen und abrupten Kehrtwendungen.
Das wollte so gar nicht passen zu ihrem eigentlichen Wahlkampfmotto: "Starke und solide Führungskraft". Sollte Theresa May doch gewinnen, dann kann man nur hoffen, dass sie dann etwas geradliniger wird.
Ein "britisches Trauerspiel"
Es sind vor allem die Terroranschläge, die die Pläne der Theresa May durchkreuzt haben, meint L'Avenir. Sie wollte, dass der Brexit im Mittelpunkt steht. Stattdessen rieb ihr der Labour-Kandidat Jeremy Corbyn die von ihr beschlossenen Sparmaßnahmen im Sicherheitsapparat unter die Nase. Davon abgesehen: Inzwischen scheint auch der Brexit auf der Insel für ein zunehmend mulmiges Gefühl zu sorgen. Heute ist jedenfalls unsicherer denn je, wer am Ende die Brexit-Verhandlungen führen wird und auf welcher Grundlage.
De Morgen sieht seinerseits nur noch ein "britisches Trauerspiel". Theresa May hat im Wahlkampf einen Schleuderkurs hingelegt. Schlimmer ist allerdings noch die Feststellung, dass der Labour-Kandidat Jeremy Corbyn einfach nicht dazu in der Lage ist, Theresa May bei ihren Schwachstellen zu packen.
Parteiintern ohnehin umstritten, umgibt sich Corbyn mit blassen Vertrauten und nicht mit den jungen Talenten innerhalb der Partei, den Leuten mit Vision und Persönlichkeit. Corbyn hat vergessen, dass man für einen Wahlsieg auch ein Minimum an Charisma braucht; das hätte er sich vom Franzosen Emmanuel Macron abschauen können.
Apropos, meint De Standaard, wie sehr können die Briten doch die Franzosen beneiden. Auf der Insel stehen sich zwei Politiker gegenüber, die beide nicht den Eindruck erwecken, wirklich einen Plan zu haben. In Frankreich dagegen ist der bis vor Kurzem noch relativ unbekannte Emmanuel Macron gerade dabei, fast aus dem Stehgreif, eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung zu holen.
Seine frischen Ideen sorgen für Enthusiasmus, brechen alte Dogmen auf, schaffen ein starkes politisches Zentrum. Größer könnte der Kontrast zwischen beiden Ländern nicht sein.
Gefeuerter Ex-FBI-Chef treibt Trump in die Enge
Viele Zeitungen blicken auch in die USA, wo Präsident Donald Trump zunehmend unter Druck gerät. "Die Aussagen des Ex-FBI-Chefs treiben Trump in die Enge", titelt etwa Het Nieuwsblad. Dieser James Comey, den Trump erst vor einigen Wochen entlassen hatte, soll heute vor einem Senatsausschuss aussagen. Der Inhalt sickerte im Vorfeld durch: "Comey bestätigt, dass Trump ihn unter Druck setzen wollte", so resümiert es De Standaard.
Samusocial-Skandal – der neue Tiefpunkt der PS
Innenpolitisch schlägt derweil die Affäre um das Brüsseler Samusocial weiter hohe Wellen. "Mit der Affäre um das Samusocial haben die Brüsseler jetzt ihr kleines Publifin", notiert L'Echo leicht sarkastisch. Auch hier geht es um überhöhte Sitzungsgelder, in deren Genuss insbesondere die Ex-Chefin der Einrichtung, Pascale Peraïta, sowie der Brüsseler PS-Bürgermeister, Yvan Mayeur, gekommen sind.
Mayeur nimmt im Interview mit Le Soir erstmals Stellung zu den Vorwürfen, dabei gibt er sich überraschend einsichtig und demütig. Der PS-Politiker unterstreicht aber die Bedeutung des Samusocial und betont zugleich, dass auch die Arbeit in einer solchen Vereinigung angemessen entlohnt werden müsse.
Die Affäre köchelt derweil weiter. Le Soir und De Standaard haben die Ergebnisse einer ersten Untersuchung einsehen können, die zwei Regierungskommissare durchgeführt haben. Beide Blätter sprechen von einem "vernichtenden Bericht für das Samusocial".
Viele Leitartikler fällen in diesem Zusammenhang ein ähnlich unbarmherziges Urteil: Und wir dachten, mit Publifin sei der Tiefpunkt erreicht, meint Le Soir. Nein, diesmal betrifft die Affäre sogar eine Einrichtung mit ur-sozialistischer Zielsetzung, nämlich die Betreuung der Allerschwächsten. In diesem Samusocial war das Nicht-Vorhandensein von Transparenz Betriebskultur. Worauf warten die Di Rupos dieser Welt noch, um endlich durchzugreifen?
Es ist doch längst zu spät, glaubt seinerseits Het Nieuwsblad. Die PS lernt es einfach nicht. Ethik bei vielen Spitzen-Sozialisten: Null. Selbstreinigungskräfte: Null. Selbst, wenn jetzt Yvan Mayeur geopfert würde, wäre das zu wenig, zu spät. Es ist das Versagen einer ganzen Generation.
rop - Foto: Ben Stansall (afp)