L'Avenir meint: Wenn Ceta auch in den kommenden Jahren auf europäischem Niveau noch oft ein Thema sein wird, der Kampf PS-CDH gegen MR-N-VA ist seit gestern beendet. Die Zeitung fragt: War dieser demokratische Anlauf nur ein weiteres inner-belgisches Psychodrama oder wie Bart De Wever meint, unnützes politisches Geplänkel?
Kanadier und Europäer versichern, Ceta habe keine wirtschaftlichen Folgen. Das Abkommen ist unterzeichnet und das ist, was zählt, sagte der kanadische Premierminister Justin Trudeau, der in der Krise die Komplexität der belgischen Politik kennen lernen durfte. Eine Komplexität, die der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gut kennt und gleich die Gelegenheit nutzte, uns eine Lektion zu erteilen und uns dazu aufrief, über unser Funktionieren auf internationaler Bühne nachzudenken, schreibt L'Avenir.
Le Soir gibt Juncker dabei Recht: Zum ersten Mal in seiner Geschichte brauchte Belgien ein Eingreifen von außen, um eine inner-belgische Entscheidung zu stoppen. Doch auch die EU sollte ihre eigenen Entscheidungs- und Verhandlungsmechanismen überprüfen. Denn es ist offenkundig, dass Effizienz und Demokratie miteinander zu kombinieren, nicht hinhaut. Denn am Ende ist weder das eine noch das andere zufriedenstellend, analysiert Le Soir.
Ceta-Schauspiel unangenehm für N-VA und Michel
Der flämische Ministerpräsident Geert Bourgeois ist sichtbar eifersüchtig auf seinem wallonischen Amtskollegen Paul Magnette, glaubt Het Laatste Nieuws. Das lässt sich wohl aus seiner giftigen Reaktion ableiten, die Wallonen hätten nichts erreicht. Selbst wenn darin ein Stückchen Wahrheit steckt, muss Bourgeois feststellen, dass nicht Flandern als erstes seine Autonomie international beansprucht hat, sondern die kleine hinterherhinkende Wallonie.
Für die N-VA und für Premier Michel war das Schauspiel rund um den Freihandelsvertrag mit Kanada ziemlich unangenehm. Weder der Premier noch die größte flämische Partei konnten etwas in die Gespräche mit dem neuen wallonischen Held Magnette einbringen. Ihre Meinung zählte nicht, und sie wurden auch nicht gefragt. Politisch waren sie technisch arbeitslos. Es ist dem unvermeidlichen Didier Reynders zu verdanken, dass ein ehrenvoller Ausweg gefunden wurde, kommentiert Het Laatste Nieuws.
E-Mail-Affäre: Wasser auf die Mühlen von Donald Trump
Die neuesten Entwicklungen im US-Präsidentschaftswahlkampf bleiben auch in Belgien nicht unbeobachtet. Eine Woche vor dem Wahltag hat das FBI nochmal Bewegung in das Rennen um das Weiße Haus gebracht. Die zentrale Sicherheitsbehörde will erneut Hillary Clintons E-Mailverkehr untersuchen. Ihr sicher geglaubter Sieg ist damit wieder in Gefahr geraten.
Dazu schreibt Gazet van Antwerpen: Dass FBI-Direktor James Comey Republikaner ist, ist natürlich kein Zufall. Ebenso wenig, dass seine Chefin, die demokratische Justizministerin Loretta Lynch alles versucht hat, ihn aufzuhalten. Und dass Donald Trump nun vom größten Skandal seit Watergate spricht, ist dabei nur logisch. Der republikanische Kandidat hatte Clinton in den vergangenen Wochen unverblümt der Korruption beschuldigt. Die Entscheidung des FBI ist da nur Wasser auf seine Mühlen. Trump hat seine allerletzte Verzweiflungsoffensive eingeläutet. Wenn in den kommenden Tagen nicht bis ins kleinste Detail deutlich wird, worin es in Clintons E-Mails geht, wird ein Schatten des Verdachts an ihr hängen bleiben. Und das wird zweifelnde Wähler am 8. November von den Wahlurnen weghalten. Und das ist ein Vorteil für Trump.
De Morgen sieht das ähnlich. Die Idee hätte auch von Donald Trump selber kommen können. Einen Gegenspieler in Misskredit bringen und dabei so viel Rauch wie möglich zu erzeugen, darauf hat Trump ein Patent. Und wenn der Rauch verzogen ist, und herauskommt, dass nichts dran war, ist es für den Gegner oft zu spät. Falls die E-Mail-Affäre erst nach den Wahlen aufgeklärt werden soll, bedeutet das ein Handicap für Clintons Endspurt.
Für die amerikanische Demokratie ist das alles eine dramatische und gefährliche Entwicklung. Während Trump seit Monaten behauptet, die Wahlen seien verfälscht, haben nun auch die Clinton-Anhänger einen Grund, an der Ehrlichkeit des Urnengangs zu zweifeln. In beiden Lagern nimmt die Zahl der Menschen, die an ein falsches Spiel glauben, zu. Die USA erleben einen historischen Tiefpunkt, urteilt De Morgen.
Stillstand beim öffentlichen Verkehrsnetz
Het Nieuwsblad kommentiert den Stau-Rekordmonat Oktober. Laut Navigationsspezialist Tomtom waren in diesem Jahr alleine auf Flanderns Straßen die Staus um mehr als 20 Prozent länger als im vergangenen Jahr. Dazu meint Het Nieuwsblad: Die möglichen Lösungen sind bekannt. Zum Beispiel mehr Heimarbeit, das ist aber nicht für jeden möglich und verpflichten kann man die Menschen dazu auch nicht. Genauso wenig kann man alle dazu zwingen, nahe an ihrem Wohnort arbeiten zu gehen.
Die dritte Möglichkeit ist die am wenigsten überraschendste und dabei die logischste und nachhaltigste Lösung: ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz. Züge, deren Fahrpläne auf Trams und Busse abgestimmt sind, komfortable Sitzplätze, Kundenfreundlichkeit, Parkplätze am Stadtrand mit öffentlicher Anbindung ans Zentrum oder ausreichend Parkplätze an den Bahnhöfen. Das Szenario ist so alt wie die Straße selbst und doch ist es immer noch nicht realisiert. Unterdessen beäugen sich die zuständigen Regierungen und Behörden und kommen doch nicht überein. Stillstand genauso wie der Pendler in seinem täglichen Stau.
Volker Krings - Bild: Nicolas Maeterlinck/Belga