"Die ganze Welt schaut auf das Njet von Paul Magnette", titelt Het Belang van Limburg. "Die EU tanzt weiter mit Magnette", so die Schlagzeile von De Standaard.
Die Wallonie, und nebenbei gesagt auch die Region Brüssel, bleiben weiter bei ihrer Blockadehaltung. Gestern musste Premierminister Charles Michel offiziell feststellen, dass seine Regierung kein Mandat hat, um das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada zu unterzeichnen.
Und eigentlich würde das bedeuten, dass der für übermorgen geplante EU-Kanada-Gipfel abgesagt werden müsste. Doch halten die Europäische Union und Kanada offensichtlich an dem Termin fest. "Kanada schreibt Ceta noch nicht ab", stellt L'Echo auf seiner Titelseite fest. "Alle Welt glaubt noch an das Abkommen", schreibt auch L'Avenir. "Der EU-Kanada-Gipfel über Ceta wird trotz allem stattfinden", konstatiert auch Het Nieuwsblad.
"Ceta – Benoît Lutgen attackiert die EU-Kommission", schreibt derweil Le Soir auf Seite eins. Lutgen ist ja der Vorsitzende der CDH; die CDH ist ihrerseits der Koalitionspartner der PS auf Ebene der Wallonischen Region. Und Benoît Lutgen beschwert sich über den Druck, der da von der EU-Kommission in dieser Akte aufgebaut worden sei. Demnach habe die Kommission die Wallonen vor möglichen Konsequenzen ihrer Blockade gewarnt; das sei das Verhalten eines "politischen Straftäters", sagt Lutgen in Le Soir.
Der EU droht eine politisch motivierte Vetokratie
Viele Leitartikler hinterfragen auch heute die Ursachen für die derzeitige Hängepartie. Die Blockade ist in weiten Teilen politisch motiviert, meint etwa Het Nieuwsblad. Bester Beweis ist, dass andere sozialistische Parteien, die in EU-Mitgliedsstaaten Regierungsverantwortung tragen, dem Abkommen zugestimmt haben.
Paul Magnette hatte derweil alles zu gewinnen: Ecolo und die PTB sind ruhig gestellt; zugleich macht man sich zur Speerspitze des Widerstands, der in weiten Teilen der Zivilgesellschaft zu beobachten ist; und ganz nebenbei muss Charles Michel dann für alles geradestehen.
Auch für La Libre Belgique gibt es zumindest eine doppelte Motivation. Wahrscheinlich sind PS und CDH in Namur tatsächlich davon überzeugt, dass die Handelspolitik der EU neu ausgerichtet werden muss. Auf der anderen Seite ist aber nicht zu leugnen, dass es hier auch darum geht, nicht noch mehr Wähler an die kommunistische PTB zu verlieren.
Der Preis dafür ist hoch: Die EU droht, durch eine Vetokratie gelähmt, jetzt auch schon durch Minderheitsinteressen blockiert zu werden.
De Standaard bescheinigt dem wallonischen Ministerpräsidenten eine gehöriges Maß an bösem Willen. Paul Magnette hätte sich durchaus für einen anderen Weg entscheiden können. Er hätte etwa dem föderalen Premierminister frühzeitig signalisieren müssen, dass die Wallonie ernsthafte Bauchschmerzen angesichts von Ceta hat.
In einem loyal funktionierenden Kooperations-Föderalismus hätte man das Problem dann im Konzertierungsausschuss lösen können, bevor es zu dem weltweit beachteten Eklat kommen konnte. Diesen Weg hat Magnette wohl bewusst nicht gewählt. Damit spielt er letztlich der N-VA in die Karten. PS und N-VA sind mehr denn je "beste Feinde".
Magnette empfiehlt sich als Wahlkampfmanager für die N-VA
Die Ceta-Krise hat sich längst zu einer belgo-belgischen Krise entwickelt, stellt auch Le Soir fest. Vorläufiger Tiefpunkt war die gestrige Sitzung des Konzertierungsausschusses. Statt vor den Augen der Welt konstruktiv nach einem Ausweg zu suchen, beschränkten sich die verschiedenen Regierungen darauf, sich gegenseitig für das Problem verantwortlich zu machen.
Und bei der Gelegenheit bekam die MR dann auch die Rechnung präsentiert für ihre Entscheidung, als einzige frankophone Partei in die Föderalregierung zu gehen.
Das allerdings ist ein gefährliches Spiel, glaubt Het Laatste Nieuws. Mit einem Mal geistert nämlich wieder das gemeinschaftspolitische Gespenst durch die Rue de la Loi. Es ist nämlich einfach, den Frankophonen hier ein krasses Solidaritätsdefizit zu unterstellen. 90 Prozent der Exporte nach Kanada kommen aus Flandern.
Was die Wallonen da machen, ist nichts anderes, als Wetten abzuschließen mit dem Geld von anderen. Paul Magnette hat sich gerade mit Blick auf 2019 als der neue Wahlkampfmanager von Bart De Wever empfohlen.
Hoffentlich kein neues Kapitel im Dschungelbuch mehr
Anderes, großes Thema ist die Räumung des Flüchtlingslagers von Calais. Gestern wurden schon über 2.000 Migranten aus dem sogenannten "Dschungel" in andere Auffangstrukturen in Frankreich gebracht. La Libre Belgique verspricht eine Reportage "im Herzen der Evakuierungsoperation"; "Herzzerreißender Abschied", titelt Gazet van Antwerpen und zeigt Menschen, die getrennt werden, weil sie jeweils anderen Flüchtlingsheimen zugeteilt wurden. L'Avenir fasst zusammen: "Abschied, zwischen Hoffnung und Resignation".
Der "Dschungel" ist und bleibt eine moralische Bankrotterklärung, meint Gazet van Antwerpen. Die Evakuierung erfolgt keinen Tag zu früh, eigentlich kommt sie Jahre zu spät.
Fast 17 Jahre lang war es eine Insel des Elends im Herzen Europas, ein Symbol für Ohnmacht, unterlassene Hilfeleistung und politische Untätigkeit. Wenn einmal die Bagger ihre Arbeit getan haben, bleibt nur zu hoffen, dass es keinen zweiten Schandfleck dieser Art mehr geben wird, kein neues Kapitel im Dschungelbuch.
Das geht aber nur, wenn wir unsere Lehren daraus ziehen, bemerkt L'Echo. Der Dschungel war das Symbol für die gescheiterte Migrationspolitik in ganz Europa, wenn nicht weltweit. Es wird Zeit, sich wirklich ernsthaft mit den Fluchtursachen zu beschäftigen.
rop - Bild: Thierry Roge (belga)