"Die Schlacht um Ceta", titelt La Libre Belgique. "Die Ceta-Saga im Zentrum des EU-Gipfels", schreibt Le Soir. Der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette hat gestern seine Weigerung bestätigt, grünes Licht für die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada zu geben.
Kommentierend meint dazu La Libre Belgique: Die Wallonie begeht damit kein Foul, sondern sie spielt nach den Regeln, die der belgische Staat und die Europäische Union aufgestellt haben. Man kann sich nicht darüber beklagen, dass die Bürger Misstrauen gegenüber einem Europa hegen, das sie als zu weit entfernt von ihrer Realität empfinden, und gleichzeitig ein Regionalparlament dafür kritisieren, sich mit einer europäischen Entscheidung zu befassen, wenn man ihm dazu die Möglichkeit gibt. Zumal viele Bürger sich für diese Entscheidung interessieren, meint La Libre Belgique.
Ähnlich das GrenzEcho: Obschon im wallonischen Parlament bereits im Frühjahr Vorbehalte gegen Ceta formuliert worden waren, hat die EU-Kommission erst kürzlich reagiert. Statt sich jetzt aber mehr Zeit zu geben und die Tür für weitere Verhandlungen zu öffnen, setzte die EU-Kommission der Wallonie die Pistole auf die Brust und erhöhte den Druck mit einem Ultimatum. Damit stellt die EU-Behörde die grundlegenden Rechte eines Parlaments in Frage. Will die Kommission etwa auf diese Weise das verloren gegangene Vertrauen der Menschen in Europa zurückgewinnen? Aus dem Brexit-Referendum hat sie offenbar nichts gelernt, urteilt das GrenzEcho.
De Standaard bemerkt: Wenn die Wallonie unter dem starken Druck von Europa nicht nachgibt, wird es nicht zum Handelsvertrag mit Kanada kommen. Für Europa mit seinen vielen Krisen ist das vermutlich nicht weiter relevant. Aber für Belgien schon, vor allem im Hinblick auf die gemeinschaftspolitischen Spannungen. In Flandern wird die Verteufelung der PS zunehmen. Das ist ein Trost für die N-VA, die dem Spektakel gerade nur tatenlos zusehen kann, obwohl sie die stärkste Partei in der Regierung ist, so De Standaard.
Mehr Flughafensicherheit durch weniger sichtbare Maßnahmen
Het Laatste Nieuws freut sich über den Abbau der Zelte vor dem Eingang des Brüsseler Flughafens: Endlich! Die weißen Zelte vor dem Flughafen Zaventem kommen weg. Keinen Tag zu früh! Die Zelte waren das Symbol unserer absurden Sicherheitsparanoia nach dem 22. März. Sie waren die stillen Zeugen unserer übertriebenen Reaktionen auf die Anschläge. Die Zelte waren nicht nur nutzlos, sie waren auch kontraproduktiv. Sie sollten uns die Angst nehmen, aber erhöhten das Risiko eines neuen Blutbads, meint Het Laatste Nieuws.
Auch L'Echo zeigt sich zufrieden: Der gesunde Menschenverstand ist an den Flughafen zurückgekehrt. Die Zelte kommen weg und werden ersetzt durch Sicherheitsmaßnahmen, die kaum sichtbar sein werden. Der normale Reisende wird nicht viel von ihnen merken. Und diejenigen, die mit bösen Absichten kommen, werden ein ungutes Gefühl haben im Wissen, dass sie durch modernste Technik erfasst, überwacht und deshalb im Ernstfall schnell ausgeschaltet werden können. Auch wenn das Attentäter, die zu Allem entschlossen sind, nicht fernhalten wird, so vermindern diese Maßnahmen zumindest das Risiko, hofft L'Echo.
Die Gefahr von sicher geglaubten Siegen
Anlässlich des letzten Fernsehduells im US-Präsidentschaftswahlkampf stellt De Morgen fest: Glaubt man den Umfragen, so steht Hillary Clinton vor einem deutlichen Sieg. Doch diese Prognosen bergen Gefahren. Erstens könnten sie viele Demokraten davon abhalten, tatsächlich ihre Stimme abzugeben, weil sie den Sieg ohnehin schon sicher glauben. Zweitens könnten viele Republikaner aus Abneigung gegen Hillary Clinton doch noch Trump wählen. Und drittens gibt es noch diejenigen, die sich bei Umfragen schämen, zuzugeben, für Trump zu sein. Die Demokraten sollten sich ihres Sieges nicht zu sicher sein. Die letzten Umfragen vor der Abstimmung zum Brexit hatten auch die EU-Befürworter vorn gesehen. Was daraus geworden ist, wissen wir, warnt De Morgen.
Was bleibt 20 Jahre nach dem Weißen Marsch?
L'Avenir erinnert in seinem Leitartikel an den Weißen Marsch, bei dem heute vor genau 20 Jahren 300.000 Menschen im Zuge der Dutroux-Affäre in Brüssel auf die Straßen gegangen waren: Gefühle, Empathie und Solidarität herrschten damals vor, Unverständnis und Wut. Und danach? Sind nicht alle anderen Weißen Märsche, die es seitdem gegeben hat, Zeichen unseres Unvermögens gewesen, Dramen wie das der Dutroux-Affäre zu verhindern? Zeichen unserer Unfähigkeit, politische und wirtschaftliche Reformen umzusetzen, um unsere Gesellschaft gerechter und friedlicher zu machen? Kurz, unseres Eingeständnisses, dass wir die Welt nicht besser machen können? 20 Jahre nach dem Weißen Marsch scheinen Belgien und die Welt definitiv einen großen Teil ihrer Illusionen verloren zu haben, bedauert L'Avenir.
Kay Wagner