"Die Wallonie bleibt vorerst bei ihrem Nein zu Ceta", titelt Le Soir. "Wallonischer Widerstand dauert an", hält De Morgen fest. La Libre Belgique bemerkt: "Magnette lehnt Deadline der EU-Kommission ab".
Die Wallonische Region wird dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada bis Freitag nicht zustimmen. Das hat Ministerpräsident Paul Magnette am Abend bei einer Sondersitzung des Wallonischen Parlaments in Namur erklärt. Der demokratische Prozess brauche mehr Zeit. Außerdem fordert die PS-CDH-Regionalregierung weiterhin Änderungen am Vertrag. Damit dürfte der Termin für die feierliche Unterzeichnung von Ceta Ende kommender Woche wohl nicht mehr zu halten sein.
Dazu schreibt De Morgen: Europaweit wächst das Unverständnis, frei nach dem Motto: Wie kann eine so kleine Region sich trauen, einen so wichtigen Vertrag kurz vor knapp zu blockieren? Die Zeitung nimmt die wallonischen Abgeordneten aber in Schutz. Mal abgesehen vom Inhalt, geht es bei der Ceta-Debatte um den Kern der europäischen Demokratie. Darf man als Mitgliedsland – oder als Teilstaat – überhaupt noch Nein zu einem Vertrag sagen, den die EU befürwortet?
"Bitte etwas mehr Sachlichkeit!"
Befasst man sich mit dem Inhalt von Ceta, wäre jedoch etwas mehr Sachlichkeit angebracht, findet auch La Libre Belgique. Gegner des Abkommens werden als fundamentalistische Bekämpfer des Freihandels karikiert, während man Befürwortern vorwirft, internationalen Großkonzernen in den Hintern zu kriechen und in Europa Alles zulassen zu wollen – vom Chlorhuhn über Hormonfleisch bis hin zu anderen Abscheulichkeiten.
De Morgen gibt zu bedenken: Nicht jeder Kritikpunkt ist begründet. In Ceta sind Mechanismen vorgesehen, um die Herabsetzung von Sozial- und Umweltstandards zu verhindern. Zudem sollte man bedenken, dass Kanada in vielen Hinsichten europäischer ist als Großbritannien. Einziges gefährliches Kapitel in Ceta ist die Einführung umstrittener Schiedsgerichte, bei denen Großkonzerne gegen Staaten klagen können.
Dass die "faulen Wallonen" – ein in gewissen flämischen Kreisen in diesen Tagen oft gehörtes Schimpfwort – mit ihrem Veto unseren Wohlstand bedrohen und die Modernisierung Europas blockieren, ist also nur die halbe Wahrheit, hält De Morgen fest. Dass es aber ausgerechnet die Wallonen sind, die den ebenfalls französischsprachigen Seelenverwandten in der kanadischen Provinz Québec – die Ceta befürworten, um weniger abhängig von den Amerikanern zu sein – jetzt in den Rücken fallen, ist bitter, urteilt La Libre Belgique.
Aufstand im wallonischen Gallier-Dorf
L'Avenir schreibt: Asterix-Magnette und Obelix-Antoine alias wallonischer Ministerpräsident und Parlamentsvorsitzender sind also in den Ceta-Widerstand getreten. Im kleinen wallonischen Gallier-Dorf wird der Aufstand geprobt. Niemand weiß, welcher Druide jetzt noch zur Hilfe heilen kann, und welchen Zaubertrank er anrührt, um einen Ausweg aus der misslichen Lage zu finden.
Le Soir meint abschließend: Sind die inhaltlichen Argumente der Wallonischen Regierung richtig? Darüber kann man lange streiten. Eins kann man ihr aber nicht vorwerfen: Sie hat sich nicht grob fahrlässig verhalten, sondern sich Respekt verschafft – gegen den mächtigen EU-Bulldozer.
"Gewerkschaften sind Belgiens konservativste Organisationen"
Het Belang van Limburg befasst sich mit der Kritik der Gewerkschaften an den Haushaltsplänen und der Reformagenda der Föderalregierung. "Ungerecht, unausgewogen, unzutreffend und nicht glaubwürdig", so lautet das Urteil der christlichen CSC.
Auch die FGTB hatte bereits heftige Kritik an den Regierungsmaßnahmen geübt und mit neuen Protesten gedroht. Kein Wunder, schreibt die Zeitung. Die Gewerkschaften sind nämlich die konservativsten Organisationen unseres Landes. Sie sträuben sich gegen jegliche Form von Wandel und Veränderung. Und das obwohl die Fakten eine eindeutige Sprache sprechen und Belgien teilweise mit dem Rücken zur Wand steht. Beispiel: Renteneintrittsalter.
Dazu schreibt Gazet van Antwerpen: Natürlich ist es alles andere als schön, im Laufe seiner Karriere zu erfahren, dass der wohlverdiente Ruhestand schrittweise um bis zu vier Jahre nach hinten verschoben wird. Wir leben aber nun mal länger als unsere Vorfahren und es werden weniger Kinder geboren. Da muss doch jeder einsehen, dass unser heutiges Rentensystem langfristig nicht mehr finanzierbar ist.
Außerdem lassen die Gewerkschaften die junge Generation völlig im Regen stehen. Denn auch das sollte klar sein: Für jedes Jahr, dass ein älterer Arbeitnehmer früher in Rente geht, werden seine jüngeren Kollegen noch länger schuften müssen. Die Zeitung ruft die Gewerkschaften deshalb auf: Denkt auch an die jungen Menschen.
akn - Bild: Wiktor Dabkowski (dpa)