"Nafi, die Königin von Rio", titelt L'Avenir. "Das Goldmädchen", jubelt La Libre Belgique. "Die Goldene Nafissatou Thiam geht ins Pantheon ein", so die Schlagzeile von L'Echo. Die Zeitungen können sich erst heute über die unerwartete Goldmedaille von Nafissatou Thiam freuen. Die 21-Jährige hat in der Nacht zum Sonntag bei den Olympischen Spielen in Rio Gold im Siebenkampf gewonnen.
"Gold in sieben Schritten", so formuliert es De Standaard auf Seite eins. Der Siebenkampf ist die Königsdisziplin in der Leichtathletik bei den Damen, vergleichbar mit dem Zehnkampf bei den Herren. Er besteht aus Hochsprung, Weitsprung, diversen Laufstrecken und Wurfdisziplinen. "Es ist die stärkste sportliche Leistung einer Belgierin aller Zeiten", meint denn auch Het Laatste Nieuws. Für Le Soir ist es "die Heldentat des Jahres".
"Tu étais formidable", schreibt die flämische Tageszeitung De Morgen auf Französisch. Nafi Thiam stammt nämlich aus Namur. Ihr Vater ist Senegalese, ihre Mutter Belgierin. Der Vater ging früh wieder in sein Heimatland zurück, deswegen musste Mutter Danièle die vier Kinder mit einem bescheidenen Gehalt alleine durchbringen.
Einige Zeitungen bringen Interviews mit Danièle Denisty. Sie habe ihrer Tochter ein Leitmotiv mit auf den Weg gegeben, sagt sie unter anderem in Het Belang van Limburg und Het Nieuwsblad: "Wenn du etwas wirklich willst, dann musst du dafür einen Preis zahlen!" "Harte Jugend, goldene Zukunft", so resümiert denn auch Het Nieuwsblad den bisherigen Lebensweg von Nafissatou Thiam. Für Gazet van Antwerpen ist "ein neuer Star geboren".
Belgiens neue Prinzessin
Spitzensport verbindet, kann De Standaard in seinem Leitartikel nur feststellen. Es bleibt bemerkenswert, wie sehr dieses ansonsten so gespaltene Land dann doch wie ein Mann oder eine Frau hinter seinen Topsportlern stehen kann. Menschen wie Nafissatou Thiam bleiben aber eigentlich die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Belgien ist und bleibt bekannt dafür, dass seine Sportler im entscheidenden Moment enttäuschen.
Nafi Thiam steht aber ihrerseits, wie auch Greg Van Avermaet, Pieter Timmers und Dirk Van Tichelt, für das "positive Belgien", hakt quasi Het Laatste Nieuws ein. Diese Leute tun mehr für das Image des Landes, als alle Werbekampagnen dieser Welt.
Mit gerade einmal 21 Jahren geht Nafi Thiam jetzt jedenfalls schon als Vorbild durch, glaubt L'Avenir, als Idol für junge, ehrgeizige Sportler. Sie ist das Symbol eines Belgiens, das zur Abwechslung auch mal gewinnt, dabei aber immer noch bescheiden bleibt. Unvergesslich werden ihre Tränen bleiben, die ihr während der Brabançonne auf dem Siegertreppchen über die Wangen liefen. In Rio hat Belgien eine neue Prinzessin für sich entdeckt. Vielen Dank dafür!
"Skandal"
Es gibt aber natürlich heute auch noch ernstere Themen. "Das Haushaltsloch ist größer als gedacht", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Es fehlen zusätzliche 2,1 Milliarden Euro", notiert auch Het Belang van Limburg auf Seite eins. Referenzwert ist da offensichtlich der Stand der letzten Haushaltskontrolle im Frühjahr dieses Jahres.
De Standaard glaubt, die Ursache für das Entgleisen des Haushalts zu kennen: "Es ist das Kapital, das das Loch ins Budget gerissen hat", so die Schlagzeile. Die Steuereinnahmen fallen demnach niedriger aus als erwartet. Und das betrifft vor allem die Quellensteuer und die Körperschaftssteuer. Vor diesem Hintergrund sprechen die flämischen Sozialisten SP.A von einem "Skandal": Während der kleine Mann weiter bluten müsse, mache diese Regierung de facto den Unternehmen und Vermögenden weiter Geschenke.
Es erwartet uns also eine weitere Sparrunde, bemerkt Het Belang van Limburg in seinem Kommentar. Dabei müssten die Staaten doch eigentlich investieren, um den Wirtschaftsmotor wieder in Gang zu bringen. Und günstiger als jetzt wird man auch keine Kredite mehr bekommen. Leider kollidieren solche Träume aber mit der europäischen Realität. Und das ist und bleibt unverständlich.
Haben sich Politiker für einen Terroristen einspannen lassen?
Viele Zeitungen beschäftigen sich heute mit der Affäre um den Terrorverdächtigen Oussama Atar. In der Vergangenheit hatten sich neben Menschenrechtsorganisationen auch belgische Politiker für die Freilassung des Mannes aus einem irakischen Gefängnis eingesetzt. 2012 wurde er dann auch aus der Haft entlassen. Atar kam dann auch nach Belgien zurück, tauchte aber nach einiger Zeit unter. Und inzwischen gilt er als einer der Drahtzieher der Brüsseler Anschläge vom 22. März. "Politiker haben sich vor den Karren eines Terroristen spannen lassen", wettert denn auch ein N-VA-Terrorexperte in Het Nieuwsblad.
In dieser Sache gibt es Fragen über Fragen, findet De Morgen in seinem Leitartikel. Insbesondere die frankophonen Linksparteien sollten wohl künftig mal genauer hinschauen, bevor sie sich für Leute einsetzen. Vor diesem Hintergrund sei auch die Frage erlaubt, warum Oussama Atar erst viel zu spät wieder auf die Liste der Terrorverdächtigen gesetzt wurde.
Das Rätsel der fehlenden Buchstaben
Bei einigen Zeitungen schließlich fehlen heute Buchstaben im Titel: "Le Soir" z.B. wird "Le Sir". Auch bei De Standaard, Het Nieuwsblad, Het Belang van Limburg und Gazet van Antwerpen fehlen im Titel alle As, Bs und Os. Diese Buchstaben, die stehen für die Blutgruppen. Die belgischen Medien wollen damit daran erinnern, wie wichtig es ist, Blut zu spenden. Vor allem in der Urlaubszeit.
Da gibt es eine simple Rechnung, unterstreicht Het Nieuwsblad in seinem Kommentar: 70 Prozent aller Menschen werden irgendwann im Laufe ihres Lebens eine Bluttransfusion nötig haben. Aber nur drei Prozent der Bürger spenden Blut. Man kann also nur hoffen, dass die Botschaft ankommt.
Roger Pint - Bild: Dirk Waem/Belga