"Zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen für den Nationalfeiertag", titelt Gazet van Antwerpen. Allein in Brüssel werden 800 zusätzliche Polizisten eingesetzt, um das traditionelle Defilee und das Volksfest um den Brüsseler Park zu sichern. Unter anderem werden wohl auch Scharfschützen auf einigen Dächern Position beziehen. Unterstützt wird die Polizei dabei von den Streitkräften. Im ganzen Land sollen 1.400 Soldaten eingesetzt werden, das sind bedeutend mehr als die knapp 1.200 Mann, die an der eigentlichen Parade teilnehmen werden.
Angesichts all dieser Vorsichtsmaßnahmen ruft denn auch der Brüsseler Polizeichef Guido Van Wymersch die Menschen auf, in Massen nach Brüssel zu kommen. "Wer sich das Defilee zuhause auf dem Sofa anschaut, der beugt sich der Terrororganisation IS", sagt Van Wymersch in De Standaard.
Einsamer Nationalfeiertag?
"Wenn dieser Appell mal nicht verhallt", meint aber De Morgen in seinem Leitartikel. Nach den jüngsten Attentaten in Nizza und Würzburg wird Brüssel am Donnerstag einer belagerten Stadt gleichen. Wer da noch Lust hat, den 21. Juli in Brüssel zu erleben, der muss schon ein großer Fan der Monarchie sein. Zu viel ist manchmal eben doch zu viel. Allzu massive Sicherheitsvorkehrungen haben jedenfalls oft zur Folge, dass die Menschen dadurch nur noch größer Angst bekommen. Wir haben inzwischen tatsächlich einen Teil dessen aufgegeben, was unsere Gesellschaft so besonders macht, nämlich die Freiheit.
Besagte Fans der Monarchie werden ohnehin nicht so furchtbar viel Vertreter des Königshauses zu Gesicht bekommen. Neben König Albert und Königin Paola haben auch Prinzessin Astrid und Prinz Lorenz ihre Teilnahme abgesagt. König Philippe und Königin Mathilde werden allein durch Prinz Laurent flankiert, der allerdings ohne seine Gattin, Prinzessin Claire, kommen wird.
Albert und Paola bleiben dem Nationalfeiertag ja schon seit 2014 fern. Bei Astrid verhält sich das anders. La Libre Belgique und La Dernière Heure gehen der Frage nach, "warum die Schwester des Königs abwesend ist". Demnach hat Astrid offenbar den Eindruck, nicht ausreichend gewürdigt zu werden. Der König gebe seiner Schwester nicht die Rolle, die sie eigentlich beanspruchen könnte.
21. Juli ohne Identitätskrise
Ein Schelm, wer da keine Parallelen zum Zustand des Landes sieht, frotzelt Het Laatste Nieuws. Die Königsfamilie scheint inzwischen so gespalten zu sein, wie es Belgien längst ist. Und das gilt nicht nur politisch sondern spätestens seit der Sechsten Staatsreform auch in der Praxis. Beispiel: Flandern hat jetzt gerade eine Reform der Fahrausbildung beschlossen. Der Führerschein, der am Ende ausgestellt wird, ist aber immer noch derselbe wie der in der Wallonie oder in Brüssel. Das Belgien von heute kann nicht der Endpunkt sein. Entweder es kommt ein Konföderalismus à la N-VA oder gewisse Materien werden wieder föderalisiert.
La Dernière Heure warnt ihrerseits vor den separatistischen Phantasien der flämischen Nationalisten. Flandern oder die Wallonie wären auf internationaler Ebene allenfalls Randnotizen. Die Marke Belgien ist und bleibt bekannter und damit auch ein Mehrwert.
All diese Fragen scheinen aber in diesem Jahr nicht wirklich zu bewegen, kann Le Soir nur feststellen. Es ist eines der wenigen Male, dass ein Nationalfeiertag mal nicht im Zeichen einer gleichwie gearteten belgischen Identitätskrise steht. Indizien für Auflösungserscheinungen liefert im Moment ausgerechnet die Königsfamilie, die ja nur durch Belgien legitimiert wird, und von der einige Mitglieder es dennoch nicht für nötig halten, dem Defilee beizuwohnen.
Alle, die es Astrid und Lorenz gleich tun wollen und auch nicht zum Nationalfeiertag nach Brüssel kommen, die fahren offensichtlich an die Küste: "Eine halbe Million Menschen zieht es ans Meer", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. "Die Küste wird in den nächsten Tagen buchstäblich überrannt", meint das Blatt.
Flandern vs. Türkei
"Bourgeois wirft der Türkei Nazi-Methoden vor", so derweil die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. Als Beispiel nennt der flämische Ministerpräsident die massenhafte Entlassung von Richtern, Staatsbeamten und jetzt auch Lehrern und Dozenten. Im Grunde reagiert Geert Bourgeois hier aber nur auf eine vorangegangene Attacke von türkischer Seite. Die türkische Botschaft in Belgien hatte insbesondere Bourgeois vorgeworfen, enge Beziehungen zur Bewegung des Predigers Gülen zu unterhalten.
"Belgien bietet Erdogan aber nicht die Stirn", beklagt De Morgen auf Seite eins. Die Türkei beleidigt die Regierung eines belgischen Teilstaates; und die föderale Ebene schweigt, kritisiert das Blatt.
De Standaard schlägt in dieselbe Kerbe. Die Türkei hetzt unverhohlen die türkischstämmigen Bürger in Belgien auf, attackiert darüber hinaus auch noch eine Regierung. Das geht entschieden zu weit. Hier bedürfte es einer entschlossenen Reaktion der Föderalregierung. In jedem Fall zeigt diese Episode, dass wir dringend strengere Regeln brauchen, um den Einfluss von Staaten wie der Türkei, aber auch Marokko oder Saudi-Arabien auf ihre Landsleute in Belgien zu beschneiden.
Marshallplan und Sozialdumping
Bemerkenswerte Schlagzeile auf Seite eins von L'Avenir: "Der wallonische Marshall-Plan nützt vor allem Flandern", schreibt das Blatt. Die Wallonen hätten nicht den Reflex, wallonische Produkte zu kaufen, so sagt der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette. Die Region führt deutlich mehr Produkte und Dienstleistungen aus Flandern ein. Damit fließe also das Geld de facto nach Flandern. Früher oder später, so meint L'Avenir, wird sich wohl auch mal die Frage nach einem "wallonischen Regionalstolz" stellen.
"Die EU will ihren Kampf gegen Sozialdumping fortsetzen", so die Aufmachergeschichte von De Standaard. Die belgische EU-Kommissarin Marianne Thyssen hatte eine Reform der sogenannten Entsenderichtlinie vorgeschlagen. Nach diesen Plänen müssen alle Arbeitnehmer überall für dieselbe Arbeit dasselbe Geld bekommen. Elf Länder, die meisten von ihnen aus Osteuropa, hatten dagegen aber ein Veto eingelegt. Doch Thyssen hält an ihren Plänen fest und geht damit auf "Konfrontationskurs mit den osteuropäischen EU-Staaten", wie es De Standaard formuliert.
Roger Pint - Bild: Nicolas Maeterlinck/BELGA