"Aus und vorbei", titelt Het Belang van Limburg. "Die Katastrophe von Lille", meint De Standaard. "Was für eine Enttäuschung", schreiben La Dernière Heure und L'Avenir auf ihren Titelseiten. "Zum totschämen", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. "Aus der Traum vom Titel", so das GrenzEcho.
Und plötzlich wurde es in ganz Belgien still: Nach der 1:3-Niederlage gegen Wales im EM-Viertelfinale war die Bestürzung groß. "Doch bitte nicht gegen Wales?!", kommentiert entsetzt Het Laatste Nieuws. Die Zeitung spricht von einem "skandalösen Turnier-Aus". Auch vielen Fans ist zum Weinen zumute. "Das gibt es doch nicht! So eine Mannschaft mit solchen Star-Spielern – und dann ausgerechnet von Fußballzwerg Wales rausgeschmissen werden!", zitiert Het Nieuwsblad einen am Boden zerstörten Fan der Roten Teufel.
"Machtlos"
Die Zeitungen versuchen, den Ursachen für das Desaster auf den Grund zu gehen. La Dernière Heure fasst es in einem Wort zusammen: "machtlos". Die notgedrungen zusammengewürfelte Abwehr hat es nicht auf die Reihe bekommen. Auch die Chancenverwertung ließ einmal mehr zu wünschen übrig. Het Nieuwsblad hat aber schon einen Sündenbock ausgemacht: Trainer Marc Wilmots trägt Mitschuld an der Niederlage. Der Rauswurf durch Wales war der Schnitzer zu viel. Wilmots hat das Potenzial der "goldenen Generation" seit der Weltmeisterschaft in Brasilien zu wenig weiterentwickelt. Es wird Zeit, dass der Fußballverband sich mit der Personalie Wilmots beschäftigt.
La Dernière Heure geht einen Schritt weiter und fordert den Rücktritt von Marc Wilmots. Wenn man so viel Talent zur Verfügung hat, darf man sich nicht mit einem Viertelfinale zufrieden geben. Die Roten Teufel hätten weiterkommen müssen. Auch ohne ihre verletzten Stammspieler. Trainer Wilmots sollte das Feld räumen, fordert die Zeitung. Für Het Belang van Limburg hat Wilmots bei der EM in Frankreich ebenfalls versagt. Es wird schwierig, mit ihm weiterzumachen. Auch De Morgen findet, dass wir aus dem Albtraum von Lille dringend Lehren ziehen müssen. Erstens muss der Trainer gehen. Und zweitens müssen die Roten Teufel aufhören, wie kopflose Hühner über das Spielfeld zu rennen.
Kritik ja - aber bitte nicht vergessen, was alles erreicht wurde
Lediglich Le Soir verteidigt Marc Wilmots: Noch vor Abpfiff hatten elf Millionen "Experten" ihn ans Kreuz genagelt. An Kritikpunkten mangelt es nicht: zu arrogant, taktisch unbegabt, unfähig, seine Mannschaft in schwierigen Zeiten umzustellen - und inzwischen selbst von den eigenen Spielern kritisiert. Allen voran von Torwart Thibaut Courtois. Marc Wilmots steht jetzt allein gegen alle. Dabei sollte man aber nicht vergessen, woher wir kommen und was Wilmots alles mit den Roten Teufeln erreicht hat. Nach einer Durststrecke von mehr als zehn Jahren hat sich Belgien in den internationalen Turnieren zurückgemeldet. Er hat das Team zusammengeschweißt und er ist viel weiter gekommen, als alle "Möchtegern-Trainer" vor ihm. Trotzdem: Gegen Italien und Wales waren wir klar unterlegen. Das einzige, was man Wilmots vorwerfen kann, ist, dass er das Zusammenspiel zwischen all den belgischen Fußball-Stars nicht besser hinbekommen hat. Was für ein Schlamassel, meint die Zeitung.
Bei aller Wut auf Wilmots fragt sich La Libre Belgique: Und wo waren Lukaku und De Bruyne? Auch De Standaard fragt sich, was schief läuft in dieser "goldenen Generation". Die jungen Spieler müssen noch wachsen, Führungsqualitäten entwickeln. Außerdem stört das Blatt, dass sich einige im Team in den letzten Tagen offenbar mehr mit lukrativen Transfers beschäftigt haben, als mit ihrem Viertelfinalgegner Wales.
Den Spaß und die schönen Abende haben wir gebraucht!
"Am Mittag ein großes Fest, am Abend Katerstimmung", titelt Gazet van Antwerpen: Die Euphorie Zehntausender Belgien-Fans, die eigens nach Lille gereist waren, endete in bitterer Enttäuschung. Trotzdem war ihr Verhalten vorbildlich. "Die Belgier werden in Lille noch lange in guter Erinnerung bleiben", glaubt L'Avenir. Das schwarz-gelb-rote Fest, das sie in der ganzen Stadt veranstaltet haben, war beeindruckend, wie De Morgen hinzufügt. Lille war am Freitag belgisch, und zumindest darauf können wir stolz sein. Die Roten Teufel sollten sich von ihren Fans eine Scheibe abschneiden.
Het Laatste Nieuws hält fest: So belgisch wie in den letzten Wochen hat sich Flandern seit Jahren nicht mehr gezeigt. In jeder Straße hängt mindestens eine belgische Flagge. Politisch sollte man das zwar nicht überbewerten, aber das Zusammengehörigkeitsgefühl, das Eden, Kevin, Romelu, Thibaut und die anderen dem Volk gegeben haben, dürfte eingefleischten flämischen Nationalisten den kalten Schweiß auf die Stirn getrieben haben. Zum Glück haben wir es bis ins Viertelfinale geschafft. Wir hatten Spaß und haben gemeinsam schöne Abende erlebt. Het Laatste Nieuws findet: Nach den Anschlägen haben wir das auch wirklich gebraucht.
Alain Kniebs - Bild: Bruno Fahy/BELGA