Na, schon alle Geschenke beisammen? Im Rahmen der Aktion "Viva for Life" bei den RTBF-Kollegen erzählte diese Woche ein kleines Mädchen vom letzten Geschenk, das es bekommen hat. Eine Barbie-Puppe. 2023 sei das gewesen.
Außergewöhnlich in einer Überflussgesellschaft, wo wir uns vor Wünschen und deren prompter Erfüllung kaum retten können. Jetzt gleich. Sofort. Dabei wird leicht übersehen, dass sich nicht alle das leisten können - weil sie das Geld für andere Dinge brauchen oder weil sie das Geld einfach nicht haben.
Dass wir im Vergleich zu ihnen oder zu Menschen in anderen Regionen auf hohem Niveau klagen? Geschenkt. Und auch, dass mit der anstehenden Arbeitslosengeldreform eine Debatte hochkocht, die so gar nicht ins weihnachtliche Bild passt.
Sicher, das großzügige belgische Sozialsystem, um das uns andere beneiden, verleitet den einen oder anderen dazu, es auszunutzen. Hinter den zuletzt häufiger kolportierten Zahlen stecken aber auch Lebensläufe, Einzelschicksale, denen ein Gesicht zu geben ein anderes Licht auf die Diskussion werfen würde.
Stattdessen ereifert sich die dauerempörte Öffentlichkeit über eine Krippendarstellung auf der Brüsseler Grand‘ Place, angestachelt von Trittbrettfahrern. Weil die Krippenfiguren an der Stelle eines Gesichts ein Stoffmuster aufweisen. Dabei hatte die deutsche Künstlerin und Innenarchitektin Victoria-Maria Geyer ursprünglich sogar Gesichter andeuten wollen, mit Knöpfen an der Stelle der Augen. Das Ergebnis finde ich da schon gelungener.
Finden aber nicht die Kreuzritter und Kulturkämpfer, die sich wie die biblischen Pharisäer aus dem Matthäus-Evangelium "auf den Stuhl des Mose gesetzt" haben. Und die heutzutage dünkt, dass hinter jedem "Wintervergnügen" der Untergang des Abendlandes droht. Keine Sorge, das mit der Säkularisierung und Verwässerung, das kriegen wir schon selber hin.
Wenn Tradition nicht mit der Zeit und mit den kulturellen Einflüssen ginge, hätten wir heute nicht den Weihnachtsbaum, der mittlerweile doch im Zentrum des ganzen Geschehens steht (ob künstlich oder nicht). Wir hätten nicht einmal die Krippendarstellung, wie wir sie kennen.
Der Legende nach geht sie auf Franz von Assisi zurück, der die Geburt Jesu veranschaulichen wollte zu einer Zeit, als nur wenige Menschen lesen konnten. Lebensecht, mit Ochs und Esel. In den Quellentexten findet sich keine Maria, kein Josef und auch kein Jesuskind. Das war in den Augen des gläubigen Franziskus doch schon da, in der Eucharistie.
Was auf die ursprüngliche Symbolik zurückführt: Das Neugeborene in der Futterkrippe als Zeichen für Demut, Einfachheit, Bescheidenheit. Im christlichen Glauben ist es der Erlöser für diejenigen, die ausgegrenzt und arm sind.
Mit dieser Symbolik haben sich über die Jahrhunderte unzählige große und kleine Künstler auseinandergesetzt. Hier sei als Beispiel, ganz zufällig, eine Krippe im Schatten der Kirche von Kalterherberg erwähnt, die von der Klasse 4C gestaltet wurde - wie viele, viele andere auch mit "gesichtslosen" Krippenfiguren, aber ganz sicher ohne Hintergedanken.
Wir haben zu Hause seit mehr als 30 Jahren eine Krippe unter dem Christbaum stehen, mit stilisierten Holzfiguren, aus hiesiger Fabrikation - und ohne Gesicht oder sonstige Wesensmerkmale. War es darum weniger Weihnachten?
Ich glaube nicht.
Stephan Pesch