Im flämischen VRT-Fernsehen gibt es freitags ein interessantes Politikmagazin. Bei "De Afspraak op vrijdag" empfängt VRT-Journalist Yvan De Vadder einen belgischen Spitzenpolitiker, der sich zum politischen Geschehen der vergangenen Woche erklären darf, meistens zu Sachverhalten, die gerade nicht so laufen, wie sie sollten. In dem Format wird De Vadder jede Woche von einem in der betreffenden Materie fachkundigen Universitätsprofessor und einem Zeitungsjournalisten sekundiert.
Anders als in anderen Politik-Talkshows, wo sich Politiker gegenseitig übertrumpfen wollen und die Streitkultur gepflegt wird, zeigen sich die Politiker in diesem Format viel konzilianter und geben auch freimütiger eigene Fehleinschätzungen und Defizite im politischen Tagesgeschäft zu. So einen Eindruck konnte man diese Woche auch bei der ersten Bürgerversammlung der OBL in einem Café in der Eupener Unterstadt gewinnen.
Die Schöffen Caroline Völl und Nicolas Pommée berichteten von ihrer Einarbeitungsphase im Rathaus. Dabei präsentierten sie sich nicht als allwissende Manager, sondern als Lernende, die noch viel zu entdecken haben. Es gab Lob und wenig Kritik für die Vorgängermehrheit und auch mehr lobende Worte für übernommene Projekte aus der vorherigen Legislatur.
In der Fragerunde ging es um Dauerbrenner wie die Mobilität und die Baustellen, bis hin zu Fragen über Hundewiesen und wann denn endlich neue Stellplätze für Wohnmobile kommen. Die OBL-Schöffen konnten dann erklären, warum in der Umsetzung vieles so zeitintensiv und technisch komplex ist. Unter anderem, weil eine Stadt sich auch mit anderen zuständigen Behörden der Wallonischen Region, des Föderalstaates oder der DG einigen muss. "Die Realität hat auch OBL eingeholt", sagte OBL-Vorstandsmitglied Jürgen Hezel in diesem Zusammenhang.
Spagat zwischen Idealismus und Realpolitik
Man könnte über so viel Ehrlichkeit schmunzeln oder gar spotten, erst recht, wenn man das ambitionierte Wahlprogramm von OBL nachliest, in dem die Latte so hoch gelegt wurde, dass es beachtenswert wäre, wenn nur die Hälfte umgesetzt würde.
Andererseits hatte sich OBL im Wahlkampf Kommunikation und Transparenz derart auf die Fahne geschrieben, dass es auch ratsam ist, auch in Zukunft bei den Fakten und der Sachlichkeit zu bleiben, auch wenn das Image ein paar Kratzer abbekommt. Denn wenn alle Parteien sich und den Wählern etwas vormachen, trägt das nur zu mehr Politikverdrossenheit bei.
Apropos Transparenz und Kommunikation: Die Kommentarfunktion auf der Facebook-Seite der Stadt Eupen wurde eingestellt, weil diese "nicht praktisch und zielführend" war, betonte Nicolas Pommée. Das Austauschformular auf der Internetseite der Stadt habe sich bereits als effizienteres Kommunikationsmittel erwiesen. Und irgendwann werde auch die Eupen-App kommen. Da liegen die Erwartungen hoch.
Beim Vorhaben, die Eupener Stadtratssitzungen live zu streamen, empfiehlt sich aus journalistischer Sicht, das Für und Wider abzuwägen. Das Vorbild Kelmis hat gezeigt, dass die Gemeinderatssitzungen mit Einführung des Streamings giftiger und rauer geworden sind. Der Gemeinderat als Polit-Talk-Show sozusagen.
Die Sitzungsprotokolle des Eupener Stadtrats werden übrigens auch im Internet veröffentlicht. Da kann man als Bürger nicht nur die Politiker kontrollieren, sondern auch prüfen, ob BRF und Grenzecho fair berichten.
Manuel Zimmermann