Ich bekenne. Ich bin ein Karnevalsneuling - ein blutiger Anfänger. Aufgewachsen in einer Gegend, in der Karneval als etwas Exotisches gilt und keine Rolle spielt. Lässt man da Begriffe wie Kappensitzung, Obermöhn oder Küsch fallen, blickt man in fragende Gesichter.
Der dritte Fettdonnerstag in Burg-Reuland, die Möhnen außer Rand und Band. Meine erste unmittelbare Berührung mit Karneval überhaupt. Etwas Vergleichbares hatte ich vorher noch nie gesehen.
Und unterdessen: Ukraine, Sparzwang, Naher Osten, Fachkräftemangel, Kongo, Handelskrieg, Sudan, Klima, Inflation. Und trotzdem Karneval? Trotzdem ausgelassenes Feiern, während es rumort, kracht und kriselt? Sollte man deshalb auf Karneval verzichten?
Bloß nicht. Denn hier geht es auch und gerade um Kulturgut und Traditionen. Karneval in Ostbelgien - das habe ich als Zugereister schnell begriffen - ist eine große Angelegenheit. Und eine der zwei Meinungen. Viele BRF-Kollegen sagen mir: Entweder man mag den Karneval oder man mag ihn nicht. Dazwischen gebe es nicht viel.
Sicher ist: Karneval bringt Menschen zusammen, sorgt für Gemeinschaft. Nicht verkehrt, wenn so viele vor Bildschirmen in virtuelle Welten abdriften.
Schlechte Nachrichten gibt es zuhauf. Täglich. Feiern heißt deshalb aber nicht, Sorgen und Ängsten gegenüber unsensibel zu sein oder die Menschen zu verraten, denen es gerade nicht so gut geht. Alles hat seine Zeit.
Körper und Geist müssen ab und zu aus dem Alltag ausbrechen und loslassen. Manche machen das im Karneval, manche auf andere Weise. Klar könnte man sich - hier im übertragenen Sinne gemeint - ein Leben lang von Wasser und Brot ernähren. Aber manchmal darf es und soll es auch ein bisschen Genuss, Spaß und Ablenkung sein.
Wenn aus dem bisschen dann mitunter allerdings viel oder viel zu viel wird - gerade bei den Getränken - sind unangenehme Auswüchse nicht mehr weit. Doch ist hier der Karneval die Ursache? Oder eher unsere Gesellschaft an sich?
Karneval - auch das sagen mir viele BRF-Kollegen - sei eine ernste Sache. Mein Kennenlernen ist noch lange nicht abgeschlossen. Ich beobachte, stelle Fragen, lerne und ja, manchmal staune ich auch.
Moritz Korff
Wirklich?
In Deutschland wurde vergangenen Sonntag ein neuer Bundestag mit wenig überraschendem aber in vielerlei Hinsicht folgenschwerem Ergebnis gewählt.
Am Montag jährte sich zum dritten Mal der Tag des Überfalls Russlands auf die Ukraine.
Und die Welt ist eine andere, seitdem ein Verbrecher, Aufwiegler und Narzisst im Weißen Haus “regiert”, der mehr Werte mit den Autokraten und Diktatoren dieser Welt teilt, als mit seinen transatlantischen Verbündeten. Von seiner perfiden Inszenierung gestern und der Vorführung des ukrainischen Präsidenten ganz zu schweigen.
Und der BRF widmet seinen einzigen wöchentlichen Kommentar den Eindrücken eines… Karneval-Novizen? Da kann man wirklich nur staunen…
Herr Leonard.
Das Leben hat viele Facetten. Karneval ist eine davon. Für einen links eingestellten Menschen wie Sie schwer zu verstehen. Lachen und Humor ist etwas für Sie etwas reaktionäres. Dazu passt das Lied "Annabelle" von Reinhard Mey. Kennen Sie bestimmt...
Und Aschermittwoch ist Karneval vorbei. Dann wird wieder über Trump und Konsorten berichtet. Auch über die anderen Clowns in Brüssel, Kiew und Moskau. Wir als Zaungäste kriegen bestimmt was zu lachen. Langweilig wird es bestimmt nicht.
Ich finde diese Eindrücke sehr eindrücklich ausgedrückt! Loslassen können, beobachten, hinterfragen, nicht ärgern, nur staunen... und lernfähig bleiben!
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