Antwerpen am vergangenen 5. Dezember: Der Nikolaus betritt das örtliche Rathaus. Man muss nicht lange hinschauen, seine Augen haben ihn verraten: In dem Kostüm steckt Bart De Wever, der amtierende Bürgermeister der Scheldestadt.
Der Nikolaus sei ein bisschen traurig, sagt er, "weil er jeden Tag nach Brüssel muss und es dort so viele ungezogene Kinder gibt". Gemeint sind offensichtlich die Arizona-Verhandlungspartner. Aber, Moment! Sitzt Bart De Wever bei den Koalitionsgesprächen nicht mit am Tisch? Anscheinend nicht. Der Nikolaus kann sich schließlich nicht selbst als "ungezogen" titulieren.
Szenenwechsel. 31. Dezember: Bart De Wever wurde gerade von Het Laatste Nieuws zum "Belgier des Jahres" gekürt. Im Gespräch mit der Zeitung erklärt er dann, wie schwer es ist, die Roten und die Blauen unter einen Hut zu kriegen: Das Unversöhnliche müsse versöhnt werden, sagt der N-VA-Chef. Als ob das die erste Regierung wäre, in der Sozialisten und Liberale gemeinsame Sache machen. Und als ob seine N-VA da völlig neutral und ohne Eigeninteressen wäre. Bekannt ist vielmehr, dass die MR sehr oft das ausspricht, was die flämischen Nationalisten auch denken.
Der Rote Faden bei alledem: Bart De Wever blickt auf die Arizona-Verhandlungen wie aus einer Beobachterposition heraus. Er scheint lediglich festzustellen, zu konstatieren. Wie der Tierfilmer, der -versteckt in einem Busch - über Wochen geduldig eine Gruppe von zum Beispiel Schabrackenhyänen mit der Kamera begleitet. Um dann eben "festzustellen", dass der junge Conner aber heute nochmal besonders zickig daherkommt. Oder, dass der tapfere Georges-Louis heute definitiv auf Krawall gebürstet ist und sich gleich mit dem ganzen Clan anlegen will. "Ja, ja, der Conner und der Georges-Louis: Zwei Teufelsbraten sind das doch! Papa hat da manchmal Augen zu wenig."
Und da ist sie wieder: Bart De Wever's Paraderolle! Die des unbeteiligten Beteiligten, Mister "Mittendrin und doch nicht dabei". Der Mann hat es noch immer geschafft, selbst dann, wenn seine N-VA an einer Regierung beteiligt war, zugleich auch als Oppositionsführer durchzugehen. Wenn's gut läuft, dann ist das - natürlich - das Verdienst seiner N-VA, die ja so gerne alte Zöpfe abschneidet. Wenn sich aber herausstellt, dass auch seine Partei nicht die versprochenen Wunder bewirken kann, nun, dann ist das eben die Schuld der "Anderen". Die "Anderen", das waren schon viele. Zu seinen Lieblingsschuldigen gehören "die Sozis" und "die Wallonen", am liebsten beides zusammen.
Zugegeben: Die Beobachtungen von "Tierfilmer" De Wever dürften auch nicht ganz falsch sein. Natürlich sind bei diesen Koalitionsverhandlungen vor allem Conner Rousseau und Georges-Louis Bouchez die beiden großen Antipoden. Und beide haben bekanntermaßen ein ausgeprägtes Ego. Nur: Wenn der Graben zwischen den beiden in fast 220 Tagen offensichtlich nicht wirklich kleiner geworden ist, könnte das nicht auch zumindest ein kleines bisschen am Verhandlungsleiter liegen? Über Monate hinweg hat man immer wieder dieselbe Kritik gehört. Erstens: De Wever's Verhandlungsnoten seien zu N-VA-lastig, wobei doch eigentlich Arizona-Texte nötig wären. Und, zweitens: De Wever versuche, das Pferd von hinten aufzuzäumen, weil man über alles rede, nur nicht über Geld. Fundamentalkritik an der Arbeitsmethode… De Wever's Rolle ist intern also auch längst nicht unumstritten.
Das alles nur, um zu sagen: Gleich wie's kommt, ob nun Erfolg oder Scheitern: Es ist immer ein Gemeinschaftsprodukt. Wenn De Wever hier den Unbeteiligten gibt, dann ist das nicht nur unaufrichtig, sondern vor allem kontraproduktiv. Kontraproduktiv, weil genau diese - im wahrsten Sinne des Wortes - halbherzige Einstellung eben dafür sorgt, dass der letzte und entscheidende Biss fehlt. Man kann nicht in kalte Wasser springen und dabei trocken bleiben. Vielleicht ist es auch das, woran es den Verhandlungen mangelt: Am unbedingten Willen mit dem damit verbundenen unbedingten Risiko.
Womit wir bei einer Frage wären, die so manchen Hinterkopf seit besagten knapp 220 Tagen auch nie wirklich verlassen hat: Will De Wever tatsächlich der Premierminister dieses Landes werden? Der belgische Premier? Er, der flämische Nationalist, der nach eigenen Worten auch genau dieses -und nur dieses - Attribut auf seinem Grabstein sehen will? Anders gefragt: Wäre ein Scheitern seiner Bemühungen nicht letztlich sogar noch in seinem Sinne, wäre das doch der Beweis, dass dieses Land so "unregierbar" ist, wie er es doch immer doziert hat.
Er selbst würde jetzt wohl empört erwidern, dass doch seine unermüdlichen Bemühungen um eine Einigung der beste Beweis für die Aufrichtigkeit seiner Ambitionen seien. Nur könnte man zuweilen genauso gut den Eindruck haben, dass De Wever seit fast 220 Tagen eigentlich immer nur das Gleiche tut, und dabei ein anderes Ergebnis erwartet; oder auch nicht. In jedem Fall wirkt es so, als würde er, der scheinbar "Unbeteiligte", schon allzu offensichtlich seine Rolle für den Fall eines Scheiterns einstudieren. Das wäre im Übrigen auch eine seine Paradenummern, die des Calimero, des ewigen Opfers.
Roger Pint
Diese Intrigen, Spielchen und Affentheater 🐒 sind doch ein Zeichen, dass das politische System in Belgien nicht mehr so funktioniert wie es eigentlich sollte.Es ist doch lächerlich, was BDW und Konsorten abliefern.Das ist schlimmer wie eine Wirtschaftskrise. Nicht Problemlösung steht im Vordergrund, sondern die Emotionen aller Beteiligten, die den Blick auf die Fakten vernebeln.
Alle Beteiligten bei den Arizona Verhandlungen sollten solange bei Wasser und Brot eingesperrt werden bis ein vernünftiges Ergebnis zu Stande gekommen ist.