"Wenn's in Belgien regnet, dann ist das die Schuld der Sozialisten". Dieses leicht sarkastische Sätzchen war offensichtlich das erste, was PS-Chef Paul Magnette in den Sinn kam, als er gegenüber einem VRT-Journalisten auf die Missstände im ÖSHZ von Anderlecht reagieren sollte. "Mehr fällt Ihnen dazu nicht ein?", hakt der Reporter nach. Und dann räumt Magnette doch zumindest ein, dass es in Anderlecht wohl ein Problem gibt.
Diese Reaktion ist symptomatisch. Die PS schafft es einfach nicht, den Stall sauber zu halten. "Immer hackt man ausschließlich auf der PS herum", hört man die frankophonen Sozialisten häufig jammern. Und tatsächlich wäre es verwegen zu behaupten, dass wirklich alle Schwarzen Schafe rot sind. Pauschalurteile sind immer falsch. Und doch braucht man nicht sehr viel Phantasie, um in der doch beindruckenden Liste von PS-Skandalen ein Muster zu erkennen.
Ob nun die Affäre um die Carolorégienne in Charleroi, die Selbstbedienung beim Brüsseler Samusocial oder jetzt auch die Missstände im ÖSHZ in Anderlecht: Solche Entgleisungen zeigen sich oft da, wo die PS quasi allmächtig, weil kaum zu verdrängen ist. Eben diese Gewissheit sorgt dafür, dass sich der eine oder die andere irgendwann offensichtlich für Gott hält. Und "Gott macht's, wie er will", das weiß schon das Alte Testament. Ja! Sie haben gemacht, was sie wollen. Seinerzeit die PS-Kommunalverantwortlichen von Charleroi, also die Clique um Jean-Claude Van Cauwenberghe, und jetzt auch die beiden sozialistischen ÖSHZ-Präsidenten in Anderlecht.
Das Ganze ist immer das Resultat einer schleichenden Normverschiebung: Am Anfang ist es noch eine Ausnahme, wenn man eine Fünf gerade sein lässt. Bis man feststellt, dass das ohne Konsequenzen bleibt. Dann reißt es ein, spricht sich die Vorzugsbehandlung herum, will plötzlich jeder in den Genuss dieser "Faveur" kommen. Und dann wird aus der Ausnahme die Regel.
Dass an dieser These was dran sein könnte, dafür könnten die ungläubigen Reaktionen der diversen Protagonisten sprechen, und zwar in dem Moment, in dem die Missstände plötzlich ans Licht kommen: Sie verstehen die Welt nicht mehr. "Was soll denn daran nicht in Ordnung sein? Haben wir doch immer so gemacht!", verteidigt man sich dann. Und das stimmt! In dem Punkt sind sie ehrlich, denn durch die Normverschiebung in ihrem Zuständigkeitsbereich haben sie sich eine neue Realität geschaffen, ein "neues Normal".
Die Aussage von Mustapha Akouz, dem ehemaligen Präsidenten des Anderlechter ÖSHZ', in der VRT-Reportage spricht Bände: "Da gibt's nichts Illegales! Ich kann ja noch verstehen, wenn das in Flandern für Empörung sorgt, aber ich bin nunmal Sozialist. Und ich bin stolz darauf. Wenn man mir Klientelismus vorwirft, dann sag' ich nur: Ich bin stolz darauf, den Menschen zu helfen". Über diese paar Sätzchen kann man wirklich ein Buch schreiben. Das ist eine Stimme aus einer Parallelwelt, in der eben ein "neues Normal" gilt, in der der Zweck die Mittel heiligt. Akouz hat quasi wörtlich zugegeben, dass er in Anderlecht eben "Gott gespielt" hat.
Kleine Klammer: An sich muss das keine rote Krankheit sein. Durchaus vergleichbare Missstände gab's weiland auch in Flandern in den Zeiten des CVP-Staats, in dem die Christdemokraten noch das Maß aller Dinge waren. Mit der Betonung allerdings auf "waren". Und das ist das eigentlich Beängstigende an dieser Geschichte, nämlich, dass nach allen Polit-Finanzaffären der letzten Jahre immer noch solche Inseln entstehen bzw. fortbestehen können.
Eben das macht den Casus Anderlecht denn auch so symptomatisch - vielleicht auch "vor allem" für die PS. Denn, was stellt sich heraus? Die zuständige föderale Aufsichtsministerin Karine Lalieux (PS) wusste offensichtlich schon seit 2021 von möglichen Unregelmäßigkeiten im ÖHSZ von Anderlecht. Warum hat sie nichts, oder zumindest nicht genug unternommen? Weil man das "intern" regeln wollte? Oder weil man's einfach laufen ließ? Vor diesem Hintergrund muss man sich denn auch die Frage stellen, wie viele Anderlechts es noch gibt?
Die frankophonen Sozialisten sägen damit an dem Ast, auf dem sie sitzen - und das in doppeltem Sinne. Nämlich nicht nur, weil die PS durch solche Geschichten eben zum Inbegriff der "Skandalitis" wird. Ganz nebenbei macht sie damit auch noch denjenigen das Bettchen, die mit der Motorsense durch die Sozialsysteme gehen wollen. Die flämischen Sozialisten haben das erkannt, und die Wut von Anja Vanrobaeys in der Kammer war aufrichtig: "Jeden Sozialisten müssen solche Missstände rasend machen", tobte die Vooruit-Abgeordnete. Denn auf diese Weise liefere man den rechten Parteien noch Munition. Anders gesagt: Die PS trägt noch dazu bei, dass das abgebaut wird, was sie doch eigentlich angeblich schützen und bewahren will.
"Wenn's in Belgien regnet, dann ist das die Schuld der Sozialisten". Diesen Satz hätte Paul Magnette sich sparen können. Es sei denn, er hat einen illegalen Geldregen gemeint.
Roger Pint
Zustände wie in einer Bananenrepublik 🍌. Das Schlimmste ist, dass diese Leute dann ins Ausland fahren, und dort anderen vorschreiben wollen, was Demokratie und Rechtsstaat sind.
Der Sozialstaat wird in Frage gestellt durch solche Skandale. Anrecht auf Hilfe des ÖSHZ sollten nur solche bekommen, die älter sind als 30 Jahre und mindestens 5 Jahre in Belgien leben.
Das Problem sitzt viel tiefer nämlich im Staatsverständnis der wallonischen Sozialisten. Es gilt noch der Spruch von Guy Spitaels „ il faut vider l’état“ um zu verstehen wie die Sozen ticken. Die dumm-dreiste Antwort von Magnette ist kein „Ausrutscher“ sonder zeigt die tiefe Verachtung der PS für alle die diesen Staat finanziell am Leben erhalten. Jede Stimme für links/grün ist eine Stimme in den Untergang.
In Zeiten des Kalten Krieges war auch der sozialistische Ostblock vom 'kapitalistischen' Westen abhängig.
Der (marxistische) Sozialismus braucht den Kapitalismus zum Überleben, aber der Kapitalismus braucht keinen Sozialismus um zu existieren, noch nicht mals als abschreckendes Beispiel.
An dieser Rollenverteilung hat sich nichts verändert. Auch nicht in der Wallonie oder anderswo.