Alle Jahre wieder … die Haushaltsdebatten folgen einander und gleichen sich. Das muss nicht in die Feststellung münden: "Das Ende naht!", wie es Michael Balter im PDG rhetorisch zuspitzte. Aber es war wieder mal alles dabei zwischen "Steuerparadies", "Business as usual" und Kelmiser "Offenbarungseid", mit großzügiger Stundung des Darlehens durch die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft.
Auch 50 Jahre nach Beginn der Gemeinschaftsautonomie und bald 50 Jahre nach der verordneten Gemeindefusion Mitte der 70er Jahre sind die Rahmenbedingungen ähnlich vielfältig wie das Landschaftsbild zwischen Kelmis und Ouren.
Das hat auch seine reizvollen Seiten und wird lokalen Eigenheiten gerecht – bei einer Gesamtbevölkerungsgröße einer mittleren Kleinstadt wirkt es aber fast wie Luxus! Und es stellt sich die Frage: Können wir uns das überhaupt leisten?
Sicher, die vorhandene Infrastruktur kann sich sehen lassen, wenn wir mal absehen vom Verkehr oder von Geldautomaten. Aber leben wir nicht auch hin und wieder über unsere Verhältnisse? Denjenigen, die nicht mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurden, ist das schon länger klar – bei anderen reift die Erkenntnis, dass das viele Geld irgendwo herkommen muss.
Eingedenk der Tatsache, dass selbst die Gründerväter der ostbelgischen Autonomie einen "Geburtsfehler" darin sahen, dass sie sich nicht um ihre Einnahmen zu kümmern habe, hat sie – bei allen positiven Effekten – auch zu einer Versorgungsmentalität geführt: Wo gibt’s den nächsten Zuschuss?
Das ist nicht DG-spezifisch und wird andernorts noch hemmungsloser praktiziert (wobei es auch hierzulande Blüten getrieben hat). Die öffentliche Hand ist dazu da, wie es im Politikerdeutsch so schön heißt: "Bedarfe" zu erkennen und zu erfüllen. Wenn ein Bedarf aber nur entsteht, weil es dafür die Erfüllung (sprich: Zuschüsse) gibt, haben wir mittelfristig ein Problem.
Ein schönes Beispiel ist das Programm der Ländlichen Entwicklung, das ursprünglich dazu gedacht ist, dass Menschen ihr Zusammenleben wieder in die Hand nehmen – in der Gemeinschaft! Dafür gibt es reichlich Subsidien und das hat wiederum dazu geführt, dass die Erwartungshaltung und Bedarfserfüllung an die Stelle der gemeinschaftlichen Verantwortung getreten sind. Ja, es gibt gute Beispiele, aber auch überflüssige …
Ähnlich ist es bei den zuletzt aufgelegten Programmen zur Förderung einer neuen Verkehrspolitik oder "Mobilität": Im Ansatz super, denn da muss dringend etwas passieren. Wenn aber "Bedarfe" erfunden werden, nur um diese Mittel zu akquirieren, läuft doch was verkehrt, oder?
Vielleicht sind den neuen gesellschaftlichen Herausforderungen aber nur alte Gewohnheiten im Weg. Not macht erfinderisch – und mutiger! Wenn, wie in der Gemeinde Burg-Reuland angekündigt, alles auf den Prüfstand kommen soll, auch die im ostbelgischen Mikrokosmos bislang sakrosankten Dorfschulen, zeigt das, was die Uhr geschlagen hat. Ganz zu schweigen von den verwaisten Kirchen und Kapellen. Auch hier zeigt das Beispiel Burg-Reuland, dass es schon zielführend sein kann, mit den Leuten zu reden.
Es bringe nichts, die Flinte ins Korn zu werfen, sagte der Reuländer Finanzschöffe. Und zur Not können ja auch andere ihre Ideen einbringen. Sonst könnte es schnell zu Ende sein mit der Versorgungsmentalität.
Stephan Pesch
Man sollte die kommende Zeit der knappen Kassen positiv sehen.Dann können Reformen beschlossen werden, die im Normalfall nicht möglich sind.Und in Belgien gibt es wahrlich viel zu tun.Der Stall muss ausgemistet werden.Das Staatsgefüge vereinfacht werden.
Es gibt viele Beispiele in der Geschichte, die zeigen, das Krisen zu positiven Veränderungen geführt haben.Ohne französische Revolution wäre Europa weniger demokratisch, um nur ein Beispiel zu nennen.