Ja, bravo, es ist geschafft. Im Prozess zu den Terroranschlägen sind die Urteile verkündet worden. Und das ist natürlich gut. Aber Hand aufs Herz: Ist so etwas nicht zu erwarten bei einem Prozess, wenn man ihn beginnt? Muss man wirklich jubeln, wenn der Prozess dann auch mit Urteilen zu Ende geht? Zudem mit Urteilen, die nicht viel anders so zu erwarten waren? Muss man wirklich so erleichtert sein, dass zwölf Laien, normale Bürger, wie Sie, du und ich zu ähnlichen Ergebnissen gekommen sind, zu denen höchstwahrscheinlich auch beruflich ausgebildete Juristen gekommen wären? Zumal der Aufwand für diese Laien noch viel größer war, als er für Berufsrichter gewesen wäre?
Richtig, hier wird die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Geschworenenprozessen gestellt. Eine schon häufig diskutierte Frage im Zusammenhang mit dem Brüsseler Terrorprozess. Die Verfassung sieht so einen Geschworenenprozess nun mal vor, sagen die einen. Das Format habe sich durch die Brüsseler Arbeit jetzt als gut bestätigt, sagen die gleichen und auch andere. "Eine belgische Wahl, eine gute Wahl", wertet diese Woche die Zeitung "La Libre Belgique" und stimmt ein in die allgemeine Beweihräucherung des Verfahrens.
Doch es bleibt die Frage: Was ist an dem belgischen Weg so viel besser als zum Beispiel dem französischen Weg? Der Pariser Terrorprozess zu den Anschlägen von Paris 2015 wurde ebenfalls mit Lob überschüttet. Er legte die Latte hoch für den Prozess in Brüssel. Und kam ohne Laienrichter aus. In Paris gab es kein Zittern, ob die Zahl der Geschworenen bis zum Ende ausreichen würde. Kein Bangen, dass vielleicht ein Urteil herauskommen könnte, das den Standards der Rechtsprechung eines Rechtsstaats nicht genügen könnte. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn im Brüsseler Prozess irgendetwas schiefgelaufen wäre. Belgien hätte wieder wie der Depp Europas dagestanden. Ganz ohne Grund.
Die deshalb verständliche allgemeine Erleichterung über den glücklichen Ausgang des Prozesses führt allerdings auch dazu, dass Diskussionen über die Urteile selbst nicht oder nur wenig geführt werden. Pauschal wurden sie mit "gut" und "nuanciert" bewertet. Ach ja? Hätte es nicht etwas ausführlicher gehen können? Das wäre durchaus sinnvoll gewesen. Vielleicht hätte dann auch die breite Öffentlichkeit besser verstanden, warum zum Beispiel jemand wie Salah Abdeslam wegen terroristischem Mord schuldig gesprochen wurde, obwohl er zur Zeit der Bombenexplosionen im Gefängnis saß? Wie begründen das die Geschworenen? Wie wird das dem nicht juristisch betreuten Laien erklärt?
Die Akzeptanz eines solchen Urteils ist leicht, weil Abdeslam ja von vornherein keine Chance hatte in diesem Prozess. Zumal nicht Berufsrichter entschieden, sondern Laien, also Menschen wie Sie, du und ich. Und wir fanden die Anschläge alle grausam und schlimm und hatten schon längst vor dem Prozess die Attentäter verurteilt. Konnten sich die Geschworenen von solchen Gefühlen befreien? Wie bereits gesagt: Die Diskussion um Sinn oder Unsinn von solchen Geschworenenprozessen ist schon häufig kontrovers geführt worden. Das ändert sich auch nach dem Brüsseler Terrorprozess nicht. Völlig zurecht.
Kay Wagner
Ob Berufs- oder Laienrichter. Man hat es überall mit Menschen zu tun.
Die menschliche Natur wurde berücksichtigt beim Aufbau des Systems. Um Fehler möglichst auszuschließen, gibt es ja mehrere Instanzen.
Vielleicht sollte man mal darüber nachdenken, künstliche Intelligenz beim urteilen zu benutzen. Da sind weniger Menschen im Spiel und mit dem technischen Fortschritt wird es vielleicht möglich sein, perfekte Urteile zu fällen frei von allen äußeren Einflüssen.