Auch bei der neuen Formel des Triumvirats - Vermittler Vande Lanotte sowie die Wahlsieger Di Rupo und De Wever als Verhandlungsführer - ist der Erfolg keineswegs sicher. Sollte auch dieser Versuch scheitern, bleibt möglicherweise nichts anders mehr übrig, als Bart De Wever und seine N-VA außen vor zu lassen.
Malen wir den Teufel nicht an die Wand. Die Gespräche des Triumvirats sind zwar unter schlechten Vorzeichen gestartet, doch muss das nicht heißen, dass sie von vorn herein zum Scheitern verurteilt sind. Vielleicht geht ja in den nächsten Tagen unter dem Druck der Finanzmärkte so eine Art heilsamer Schock durch die Reihen der Verhandlungspartner.
Vielleicht siegt ja die Vernunft bei dem Gedanken, dass das weitere Fehlen einer voll handlungsfähigen Föderalregierung die Zinsen für Staatsanleihen so hoch treiben könnte, dass selbst bei der tiefgreifendsten Staatsreform alle, also auch die Flamen, die großen Verlierer wären. Diese Einsicht müsste beide Seiten zu einer größeren Nachgiebigkeit veranlassen.
Ein Kompromiss ist immer noch möglich
Die Flamen könnten ihre zur Zeit sehr weitgehenden Forderungen nach einer größtmöglichen Autonomie und finanziellen Eigenverantwortung der Teilstaaten etwas zurückschrauben und die frankophone Seite noch einen Schritt weiter auf die abgeschwächten flämischen Wünsche eingehen. Dann wäre der Weg zu einem Kompromiss, auf den wir seit dem 13. Juni letzten Jahres warten, geebnet und eine Einigung in greifbare Nähe gerückt.
Natürlich sind wir im Augenblick noch längst nicht soweit, aber man wird ja noch hoffen dürfen, auch wenn uns der Optimismus durch die sich häufenden Misserfolge der verhandelnden Parteien in den letzten Monaten wohl weitgehend abhanden gekommen ist.
Trotzdem kann man sich durchaus vorstellen, dass selbst die größten N-VA-Fans es Parteichef De Wever sehr übel nehmen werden, wenn seine Hartnäckigkeit die Bildung einer Regierung verhindert, wodurch wir alle für die steigende Zinslast auf Belgiens Staatsschuld bei den Steuern noch deutlich stärker als bisher zur Kasse gebeten werden. Das ist im Grunde die letzte Hoffnung, dass aus den Sieben-Parteien-Gesprächen über Staatsreform und Regierungsbildung nochetwas werden könnte.
Wenn nicht mit, dann eben ohne N-VA
Wird auch diese Hoffnung enttäuscht - und das dürfte sich in den kommenden Tagen relativ schnell herausstellen - dann bleibt neben Neuwahlen, die jedoch mit Sicherheit keine Lösung bringen würden, nur noch ein Ausweg: eine Regierung ohne die flämischen Nationalisten der N-VA. Es war kein Geringerer als Ex-Außenminister Karel De Gucht, der auch eine Zeit lang Präsident der flämischen Liberalen war, der diese Idee als europäischer Kommissar für Handel vor belgischen Unternehmern in Erwägung zog.
Natürlich ist hinlänglich bekannt, dass die übrigen flämischen Parteien davor zurückschrecken, eine Regierung ohne den großen Wahlsieger N-VA zu bilden. Sie befürchten, dass sie von De Wevers Partei in der Opposition die Schuld in die Schuhe geschoben bekämen, wenn die Staatsreform hinter den Erwartungen Flanderns zurückbleiben würde. Dann, so ihre große Angst, würde die N-VA bei den nächsten Wahlen noch stärker werden, während den übrigen Parteien vom Wähler die Rechnung präsentiert würde. Das könnte in der Tat so sein, doch es könnte auch anders kommen.
Mut und Verantwortungsbewusstsein könnten auch belohnt werden
Nehmen wir mal an, die N-VA bleibt bei ihren extrem weitgehenden, zum Teil übertriebenen Forderungen in Sachen Staatsreform, so dass auch der nächste Einigungsversuch scheitert. Dann ist es keineswegs sicher, dass die übrigen flämischen Parteien, wenn sie dann in eine Regierung ohne N-VA und Vlaams Belang einsteigen, vom Wähler bestraft werden. Zumindest nicht, wenn es ihnen gelingt, jene flämischen Wünsche umzusetzen, über die man sich mit der frankophonen Seite heute bereits weitgehend geeinigt hat, nämlich die Spaltung von BHV und eine weitere nennenswerte Kompetenzübertragung vom Föderalstaat an die Teilstaaten.
Auch wenn diese Staatsreform nicht so weit gehen würde, wie es De Wever fordert, würden vermutlich viele Flamen diesen bedeutenden Schritt in Richtung von mehr teilstaatlicher Autonomie anerkennen und beim nächsten Urnengang zu würdigen wissen. Schließlich hätten bei dieser Konstellation die sogenannten traditionellen Parteien, nämlich die Christlichsozialen, Sozialisten und Liberalen, eventuell noch unter Einbeziehung der Grünen, nicht nur einen Großteil der flämischen Forderungen umgesetzt, sondern das Land zugleich vor einem Finanzdebakel mit unabsehbaren Folgen bewahrt.
In anderen Worten: Eine Regierung ohne die N-VA muss für die anderen flämischen Parteien, die daran teilnehmen würden, nicht unbedingt politischer Selbstmord sein. Im Gegenteil, es ist durchaus denkbar, dass dann die N-VA der Dumme ist. Es wäre nicht das erste Mal, dass in der Politik ein Schuss nach hinten abgeht.
Bild:belga archiv
Die N-VA allein vertretet 1.1 Millionen Stimmen. Das ist soviel wie die PS und CDH zusammen. Die gesamte Autonomie-Parteien in Flandern haben fast soviel Stimmen wie alle frankophone Parteien zusammen. Diese Tendenz einfach zur Seite schieben (weil die frankophonen Parteien die finanzielle Verantwortung grundsätzlich verweigern), wäre eine völlige Vergewaltigung der Demokratie. Warum brauchen wir noch Wahlen, wen die Ergebnisse nicht akzeptiert werden ?
Den flämischen Parteien bleibt nur die Flucht nach vorne. Sonst wird die N-VA die anderen Parteien vor sich her treiben und noch stärker werden. Außerdem könnte die Lage außer Kontrolle geraten. Sie nicht in die Regierung zu nehmen, kann nur dann funktionieren, wenn die anderen flämischen Parteien den Flamen überzeugende Reformen liefern können. Den meisten Flamen ist ein Fortbestehen Belgiens lieber, aber nicht unter allen Umständen. Den Flamen kommt es auf ein paar Monate nicht an, sie warten schon sehr lange und sind inzwischen misstrauisch. Wäre die N-VA in der Regierung, könnte man versuchen, ihr den schwarzen Peter zuzuschieben, wenn man mal nicht weiterkommt. Ob das klappt, hängt natürlich vom politischen Geschick der N-VA insbesondere De Wevers ab. Der Versuch, die NV-A mit der angespannten Finanzmarktlage unter Druck zu setzen, ist vermutlich ein Rohrkrepierer. Davon wird die N-VA nur profitieren.
Die N-VA sagt lediglich was die Sachverständige wissen: Herman Matthijs, Professor Staatsfinanzen an der Vrije Universiteit Brussel, sagt wörtlich das die fiskale Selbstverwaltung in der Note Vande Lanotte lächerlich ist. Die sogenannte weitgehende frankophone Zugeständnisse sind hauptsächlich symbolisch und ein Versuch tatsächliche Reformen zurück zo stellen. Nicht die NV-A is unfähig einen Kompromiss to schliessen. Die frankophone Parteien sind unfähig die Verantwortung für ihr eigenes Schicksal auf sich zu nehmen.
Es war übrigens auch Karel De Gucht der jemals gesagt hat das er in seinen 5 Jahren Regierungsbeteiligung kein einziges Dossier begegnet hat in dem die Flämische und frankophones Parteien dieselbe Meinung hatten. Es hat einfach keinen Sinn weiter zu machen ohne tiefgehende Reformen. Die Forderungen der NV-A sind gar nicht Ubertrieben. Sie sind die Äusserung des Gesunden Menschenverstand.