Da stelle sich einer vor, die deutsche Sprache bekommt in Belgien die Sichtbarkeit und Anerkennung, die sich viele deutschsprachige Belgier wünschen. Nicht rein höflichkeitshalber in der Weihnachtsansprache des Königs – nein, als Fanal für zuletzt arg an sich zweifelnde Rote Teufel und ihre verzweifelten Fans.
#wirschaffendas - ein Ruf wie Donnerhall, so viel markanter als die dürftigen Entsprechungen "Alles geven" und "On va le faire". "Können wir es schaffen? Yo, wir schaffen das!" weiß jedes Kind, das mal mit Bob, dem Baumeister, in Berührung gekommen ist. Und die Union Belge erklärt die Wahl des Slogans mit Blick auf die nächste Herausforderung: die EM in Deutschland und natürlich auch auf ihren deutschen Trainer Tedesco.
Geprägt wurde der Satz zuletzt von Angela Merkel auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015. Das haben in Deutschland viele ihrer Ex-Kanzlerin bis heute nicht vergessen, so oder so. Dass er vielfach negativ besetzt ist lässt tief blicken.
Dabei benutzte ihn Merkel nicht im Rahmen ihrer Richtlinienkompetenz, eher wie ein Motivations-Coach (à la Tedesco), der sich und anderen Mut zuspricht … und auch ins Gewissen redet. Das "Motiv", sagte sie wörtlich, müsse sein: "Wir haben so vieles geschafft, wir schaffen das!"
Wirklich geschafft haben weder Deutschland noch Europa das, was sie sich vielleicht dann doch zu halbherzig vorgenommen haben. Und wir Belgier müssen stillhalten, führen wir uns die Bilder vor Augen aus dem Parc Maximilien, in der Rue des Palais in Schaerbeek oder im Zeltlager in Molenbeek.
Nun hat sich die Regierung auf kurzfristige Lösungen zur Unterbringung geeinigt und auch auf restriktive Maßnahmen. Letztlich dürften sie aber noch mehr abgelehnte Asylbewerber in die Grauzone der "Sans papiers" führen. Eine grundlegende, weitsichtige Migrationspolitik ist das nicht.
Ja sicher, ist alles nicht so einfach. Schließlich müssen die Leute irgendwo hin. Die Zeitung "De Standaard" hat bei den flämischen Gemeinden nachgefragt. Die meisten wissen nicht ein noch aus: zu wenig Zeit, zu wenig Personal, zu wenig Unterbringungsmöglichkeiten. Und – was kaum einer ausdrücken will – die Angst vor zu wenig Rückhalt in der Bevölkerung.
Das ist auch der Grund dafür, dass sich die erklärten Traumziele der Migranten vor der Verantwortung drücken und den unausweichlichen Migrationsdruck schön bei den Erstankunftsländern am Mittelmeer belassen.
Die Briten, die ja mit dem Rest Europas (und der Welt?) nichts mehr zu tun haben wollten, verlassen sich auf ihre Insellage. Wer es wagt, mit dem Schlauchboot über den Ärmelkanal anzulanden, wird erst interniert und fliegt dann raus! Etwa in ein Drittland wie Ruanda, um dort Asyl zu beantragen. So zumindest der Plan der Regierung. Faktisch wird das Recht auf Asyl damit ausgehebelt.
Der englische Fußball-Kommentator Gary Lineker hat in dieser Debatte wieder mal Klartext geredet. Der Vergleich zum NS-Deutschland der 1930er Jahre geht wohl zu weit. Aber Recht hat er, wenn er von einer "unermesslich grausamen Politik" spricht, die sich "gegen die am meisten schutzbedürftigen Menschen" richtet.
"Die Welt zu Gast bei Freunden", das Motto der WM 2006, wäre ein anderer mutmachender Slogan an der Schnittstelle zwischen Fußball und Politik, wenn schon "Wir schaffen das" zu vermessen, zu vollmundig klingt. Aber allemal besser als: "Wir haben es nicht mal versucht … "
Stephan Pesch
Ein politisch korrekter Kommentar.
Das Migrationsproblem kann nicht hier gelöst werden, nur in den Herkunftslandern.
Es sind nicht die Schwachen, die zu uns kommen, sondern die es sich leisten können. Denn so eine Reise kostet eine Stange Geld. Daher hält sich mein Mitleid mit diesen Leuten in Grenzen.
Glückwunsch von mir, Herr Pesch!
Ich bin froh dass Sie mit viel Empathie das Problem so objektiv wie es geht von allen Seiten betrachtet haben. Weil es uns alle angeht.