Kommentar: Pensionsskandal in der Kammer – ein parlamentarisches Trauerspiel

Mehr als 6.000 Euro beziehungsweise rund 3.000 Euro brutto – so viel sollen die Ex-Kammervorsitzenden Herman De Croo und Siegfried Bracke seit 2019 als sogenannte Pensionsprämien bekommen haben, pro Monat und zusätzlich zur schon nicht schäbigen Rente wohlgemerkt. 103.000 Euro waren laut Medienberichten auch 2023 wieder im Haushalt des föderalen Parlaments für diese Zahlungen reserviert. Und dabei sind die Pensionszuschläge für die acht früheren Spitzenbeamten der Kammer noch gar nicht berücksichtigt.

Herausgekommen ist das Ganze übrigens nur, weil ein Kammerbeamter, der bald in Pension gehen wird, sich Fragen gestellt hatte zur Berechnung seiner künftigen Bezüge, woraufhin die Parlamentspräsidentin das Zuschlagssystem juristisch durchleuchten ließ. Seitdem herrschen Panikfußball und Schadensbegrenzung.

Kein Wunder, denn schließlich besteht das System offensichtlich seit 25 Jahren und wurde jedes Jahr brav von den Kammerabgeordneten abgesegnet. Dass ihnen überhaupt klar war, was sie da eigentlich regelmäßig durchwinkten, darf zumindest bezweifelt werden. Zumindest wenn wir uns nicht Verschwörungstheorien hingeben über eine ein Vierteljahrhundert umspannende kriminelle Verschwörung mit Aberhunderten extrem verschwiegenen Mitwissern.

Vor diesem Hintergrund erscheint auch die Behauptung der linksextremen PTB fragwürdig, dass alle Parteien Bescheid gewusst hätten und nur sie, die aufrechten Kämpfer gegen den Kapitalismus, versucht hätten, die Zusatzzahlungen 2021 streichen zu lassen. Wenn sich die PTB damals wirklich dieser medialen Bombe bewusst gewesen wäre, hätte sie sie wohl auch gezündet.

Es scheint naheliegender, dass es sich um einen populistischen Versuch handelt, den entstandenen Schaden für die traditionellen Parteien jetzt opportunistisch zu maximieren. Was den Extremen beider Seiten leider wohl auch leicht gelingen wird.

Damit steht also der Verdacht im Raum, dass die Kammerabgeordneten 25 Jahre lang immer wieder grünes Licht gegeben haben für nicht unbeträchtliche Haushaltsposten, die sie entweder nicht gelesen oder nicht verstanden haben. Oder sie haben sich von Kammerbeamten, die mit eigener Agenda unterwegs waren, hinters Licht führen lassen.

In jedem Fall ist es ein Armutszeugnis, das die Rolle und die gesamte Arbeit des Parlaments in Verruf bringt. Und es wirft die berechtigte Frage auf, ob man nicht den Bock zum Gärtner macht, wenn die Kontrollierten gleichzeitig die Kontrolleure sind.

Und damit kommen wir zu den früheren Kammervorsitzenden selbst. Und da müssen wir zunächst, so zynisch es auch klingen mag, noch von einer glücklichen Fügung sprechen, dass nur zwei Ex-Parlamentsvorsitzende betroffen sind. Die übrigen hatten, soweit bekannt, entweder die Bedingungen für die Pensionsprämien nicht erfüllt oder sind noch nicht in Rente.

De Croo Senior weist derweil empört jegliche Schuld von sich, schließlich habe das Parlament verantwortlich gezeichnet für die Zahlungen. Und Bracke befindet sich im Südafrika-Urlaub und will sich erstmal gar nicht äußern. Ist das wirklich ein Verhalten, das angemessen ist für ehemalige "Erste Bürger"? Denn protokollarisch sind Kammervorsitzende genau das, die "Ersten Bürger" des Landes.

Hieße mit gutem Beispiel voranzugehen in diesem Fall nicht zumindest, mit einer gewissen Demut aufzutreten? Mit lautem Poltern oder sturem Schweigen tun die zwei jedenfalls weder sich selbst, noch ihren Parteien, noch der Institution Kammer einen Gefallen – und schon gar nicht der Demokratie.

Boris Schmidt