Es wird wohl noch eine Weile Dauern, bis wir uns damit abfinden, dass aus dem Fußball-Giganten Belgien so langsam wieder ein Fußball-Normalo geworden ist.
Seit Bestehen haben die Roten Teufel immer wieder begeistern können: Platz drei bei der EM 72 oder sogar Vize-Europameister 1980. 86 folgte das belgische Sommermärchen mit Platz vier bei der WM in Mexiko. Ein Straßenfeger in jeglicher Hinsicht, an den sich die Fans der Roten Teufel noch heute gerne zurückerinnern. In den 90ern hat Belgien immer wieder gute Fußballer hervorgebracht. Preud'homme als bester WM Keeper 1994 oder auch Marc Wilmots, der 1997 mit Schalke den UEFA-Cup gewinnen konnte.
Den Anfang des zwischenzeitlichen Niedergangs erlebte der belgische Fußball bei der Fußball-Europameisterschaft 2000 im eigenen Land, bei der die Mannschaft bereits in der Vorrunde ausschied. Das war eigentlich der Grundstein der Goldenen Generation, denn eine Reform in der fußballerischen Ausbildung wurde beschlossen, die schon recht bald Früchte tragen sollte. Bei der U17-Fußball EM 2007 im eigenen Land ließen die Nachwuchstalente Eden Hazard oder auch Christian Benteke aufhorchen. Gleich bei der ersten Teilnahme gelang der Einzug ins Halbfinale.
Der Weg der Talente ging weiter und aus den Talenten wurden Stars des Europäischen Spitzenfußballs. Nach langem Leerlauf - denn von 2004 bis 2012 war Belgien weg von der internationalen Fußball-Bühne - waren die Roten Teufel 2014 nach einer souveränen Quali mit der Goldenen Generation endlich wieder bei einer Fußball-WM. Im Viertelfinale war dann Schluss gegen den späteren Vize-Weltmeister Argentinien.
Bei der EM in Frankreich bleibt die herbe Enttäuschung in Erinnerung über das Viertelfinal-Aus gegen Wales, als der Weg ins Finale prädestiniert schien. Das EM-Aus war auch zeitgleich das Ende des Motivators Wilmots und der Beginn der Ära Martinez. Der Spanier sollte den Belgischen Fußball noch einmal gründlich nach vorne bringen und hat für Belgien neue Methoden ins Land gebracht. Er selbst hat seine Wahl-Heimat geliebt und mehr als nur seinen Stempel aufgedrückt. Ein Gentleman der alten Schule, der Belgien bei der WM 2018 zum bislang größten Erfolg geführt hat, dem dritten Platz bei der WM in Russland und dem wahrscheinlich legendärsten Fußball-Konter der Fußball-Geschichte gegen Japan.
Die Euphorie im Land war groß, auch wenn vielleicht ein wenig die verpasste Chance auf den Titelgewinn im Hinterkopf geblieben ist. 2021 dann das Aus bei der EM gegen den späteren Europameister Italien und nun vergeht allmählich der Glanz mit dem Aus in der Vorrunde, auch wenn darüber am Ende wieder, wie so oft, nur Zentimeter entschieden haben. Die Zeit des Loslassens und des Abschieds scheint gekommen, auch wenn einige Vertreter der Goldenen Generation das vielleicht noch nicht so ganz wahrhaben wollen. Roberto Martinez hat bereits vor dem WM seinen persönlichen Schlusstrich gezogen und einige Spieler werden wohl folgen.
Statt über das WM-Aus zu meckern, sollten wir uns dankbar über das vergangene belgische Fußball-Jahrzehnt auf internationaler Ebene zeigen.
Christophe Ramjoie