"Feiern, als sei es 2019" - so heißt es seit Mitte dieser Woche (mal wieder) in Schweden. Was nicht zu verwechseln ist mit "Feiern, als gäbe es kein Morgen". Wie in früheren Phasen der Pandemie setzen die Schweden auf das hohe Eigenverantwortungsgefühl ihrer Landsleute.
Auch in Ländern, wo die Zügel zuletzt strenger angezogen worden waren, wurden sie wieder gelockert - oder läuft es zumindest darauf hinaus. Wir haben (besser spät als nie) unser Corona-Barometer, das uns mit Hilfe von Farbcodes anzeigt, wo es langgeht - und das nun konsequenterweise angewandt wurde.
Unter dem Eindruck von "Freedom Days" an anderen Orten gab es schon nervöse Einwände, dass dieses Corona-Barometer wegen des Stufencharakters auch zum Hemmschuh werden könne, da es im besten Fall verhindert, dass alle Maßnahmen auf einmal über den Haufen geworfen werden. Richtig, so war es auch gedacht. Gewisse Auflagen wird es also auch bis auf Weiteres noch geben.
Dennoch künden nicht nur stark rückläufige Infektionszahlen spürbare Entspannung an. Das "Reich der Freiheit" wird wohl niemand mehr in den Mund nehmen, vielleicht eher etwas wie "Vorfrühling der Freiheit". An Karneval dürfte es trotz frühzeitiger Absagen vorbei sein mit der vornehmen Zurückhaltung.
Behörden bleibt da nur ein Kunstgriff wie der, ganz Köln zur "Brauchtumszone" zu erklären - mit Auflagen, versteht sich. Wie das dann aussieht hat der 11.11. vorgemacht. Und auch in unserer Gegend gibt es Beispiele dafür, wie schwer sich unbändige Feierlaune kanalisieren lässt: Als vor 60 Jahren in Lammersdorf die hoch ansteckenden Pocken ausbrachen, galt auch diesseits der Grenze zu Karneval ein Umzugs- und Tanzverbot. Und was haben die Leute gemacht? Getanzt haben sie laut Berichten aus jener Zeit nicht - dafür aber "gehopst" - in brechend vollen Kneipen!
Warum mir das vertraut vorkommt? Vielleicht weil es die menschliche Natur so treffend widerspiegelt - und ganz gut passt zu nicht immer leicht nachvollziehbaren Anordnungen. "Feiern, als sei es 1962" - so etwas wird es in diesem Vorfrühling vermutlich nicht geben. Und für danach gibt es zur Not noch immer das Corona-Barometer.
Stephan Pesch