Beim Marathon sind die letzten Kilometer die schwersten. Nichts anderes als einen Marathon haben uns die Experten im letzten Frühjahr angekündigt, als wir Laien diese düstere Prognose noch mit einem Handwisch vom Tisch fegten, nach dem Muster: Mal abwarten! Ob wir uns schon auf den letzten Kilometern befinden, trauen sich selbst die Experten nicht mehr zu sagen - so unvorhersehbar ist der Verlauf der Pandemie.
Allenthalben reagieren die Regierungen zurzeit nervös: Ausgangssperren verlängern hier, Reiseschranken erhöhen dort. Allen ist klar: Das beste Mittel gegen die Ausbreitung des Virus ist: zu Hause bleiben, am besten über einen längeren Zeitraum! Weil das aber nicht in allen Fällen geht, wird austariert. Das bedeutet auch, dass die eine Beschränkung getroffen wird, um eine andere nicht treffen zu müssen. Und ja, das kann ungerecht sein.
Und widersprüchlich. Was gestern noch als unwirksam oder zumindest nicht zielführend ausgeschlossen wurde, wird morgen unter Umständen als unausweichlich präsentiert: Beispiel Grenzschließungen, die Leute wie der Biostatistiker Geert Molenberghs - das sei fairerweise gesagt - immer schon als unausweichlich angesehen haben (und nicht nur er).
Die Unvorhersehbarkeit des Infektionsgeschehens ist eine Erklärung dafür, dass es im Grunde aussichtslos ist, auf eine verlässliche Langzeitstrategie zu hoffen. Auf das allgemeine Corona-Barometer warten wir bis heute.
In Bereichen wie dem Unterricht gibt es immerhin ein landesweit funktionierendes Ampelsystem, das die Maßnahmen regelt. Im Zweifel gilt Code Rot - vorläufig bis zu den Karnevalsferien in einem Monat. Wobei nicht auszuschließen ist, dass Plan B eintritt und der Präsenzunterricht vor oder nach den Karnevalsferien eine Woche ausgesetzt wird und stattdessen überall Fernunterricht läuft.
Das hat Bildungsministerin Lydia Klinkenberg schon vor einigen Tagen als reelle Möglichkeit angedeutet und nun im PDG-Ausschuss bekräftigt. Ob dieser Fall eintritt, wird sich zeigen - so weiß aber schon mal jeder Bescheid.
Nach den Erfahrungen vom Frühjahr sind die belgischen Instanzen fest entschlossen, die Schulen nur im äußersten Fall wieder zu schließen - während andernorts notgedrungen auf dieses Mittel zurückgegriffen wurde. Wie es an diesem Donnerstag in einer Interpellation im PDG thematisiert wurde, ist das Wohl der Kinder und Jugendlichen eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, hinter der andere Anforderungen und Bedürfnisse zurückzustehen haben. Genauso wie beim Schutz der Risikogruppen, warum ihnen zu Recht Vorrang bei der Impfstrategie eingeräumt wird. Und beim Bestreben, das Gesundheitssystem nicht an die Belastungsgrenzen zu führen (was schon zweimal geschehen ist).
Und darum heißt es bei aller Anstrengung und auch Erschöpfung durch die nicht enden wollende Corona-Krise: auf die Zähne beißen und durchhalten!
Stephan Pesch
Ja hallo und guten Tag.
Das Gesundheitswesen ist täglich an der Belastungsgrenze. Es fällt nicht permanent auf weil das Personal permanent Überstunden macht. Und das auch ohne Bezahlung. Überstunden dürfen nicht aufgeschrieben werden, das Personal arbeitet im OP schon mal 24 Stunden am Stück. Ich war dabei.
Danke für diesen von Pragmatismus und Unaufgeregtheit geprägten Kommentar.
Mit Dogmatismus lässt sich die Pandemie nicht bekämpfen.
Frau Kasper, Sie schreiben, das Gesundheitswesen sei täglich an der Belastungsgrenze.
Gelten die von Ihnen geschilderten desolaten Zustände noch immer, trotz Rückgangs der Infektionszahlen?
Ist der Pfelekräftemangel in allen Hospitälern derart akut?
Wenn Überstunden nicht aufgeschrieben werden, wie reagieren darauf die Gewerkschaftsvertreter?
Eigentlich müsste so etwas juristisch aufgearbeitet werden, damit die geleistete Mehrarbeit nachräglich entlohnt wird.
Der Einschätzung von Dieter Leonard schließe ich mich gerne an, und das nicht nur für den jüngsten Kommentar von Stephan Pesch, sondern auch für die vorhergehenden. Ich bin der Ansicht, dass wir uns gerade in Zeiten von Unsicherheit und Bedrohung auf den starken Kern unserer westlichen Demokratien konzentrieren müssen: den Kant’schen „kategorischen Imperativ“ und die sich daraus unmittelbar ableitende Definition von Freiheit und Gemeinwohl. Wenn wir das nicht schaffen, werden unsere Gesellschaften zu reinen Ansammlungen von „Ich-AGs“ verkommen, die sich immer stärker entfremden, sich schließlich nur noch bekämpfen und damit letztlich eine „darwinistische“ Zukunft einläuten, wo sich das Recht des Lauteren oder Stärkeren gnadenlos durchsetzt.
Werter Herr Velz.
Um die Coronakrise zu bewältigen bedarf es des gesunden Menschenverstandes und der Vernunft. Mehr nicht.
Und damit die Gesellschaft nicht ins Chaos abgleitet, bedarf es mehr direkte Demokratie, nicht Bürgerdialog-Scheindemokratie, und glaubwürdige Politik.
@Alfons Velz: Der kategorische Imperativ ("Handle so, dass die Maxime Deines Handelns Grundlage für eine allgemeine Gesetzgebung sein kann") sollte doch vor allem für diejenigen gelten, die in Regierungsverantwortung stehen und daher eine Vorbildfunktion haben bzw. haben sollten.
Wenn die Open VLD eine Neujahrsfeier mit Livemusik veranstaltet, an der unsrer Premier sowie der Vorsitzende der Partei teilnehmen, während jeder andere Bürger für die Teilnahme 750€ und für die Organisation gar 4000€ Strafe bezahlen muss, dann ist dies das genaue Gegenteil des kantischen Imperativs.
Von uns Bürgern erwartet man, dass wir die Corona-Regeln befolgen, aber "die das oben" dürfen sie einfach missachten und kommen ungeschoren davon?
Ich bin gespannt, ob es zumindest eine öffentliche Entschuldigung geben wird.
Herr Jusczyk, da verdrehen Sie aber Einiges: Es war keine "Neujahrsfeier", mit hunderten Gästen und Halligalli, wie man es bei Ihrer (bewusst irreführenden?) Beschreibung vermuten könnte, sondern ein Livestream mit drei (!) Leuten, die (auf Abstand) beisammen saßen und einer Band weit im Hintergrund (also ebenfalls auf Abstand)...
Sicherlich war diese politische Kommunikation ein Eigentor, aber bleiben wir doch bitte bei den Tatsachen. Von "Feier" kann hier wohl kaum die Rede sein! Sie glauben doch auch nicht im Ernst, dass ein Premierminister die Regeln, für die er selbst einsteht, mal eben per Livestream über den Haufen wirft?
Also eine Entschuldigung ist wohl eher von denen zu erwarten, die wieder alles so verdrehen, um die Mär von den durch die Bank ewig korrupten und egoistischen Politikern nähren. Jetzt fehlt noch ein "Pöstchenjäger", "Tröge", oder "Parteisoldaten" und dergleichen Rhetorik, dann können Sie sich mit Scholzen & Co. die Hand geben...
Herr Hezel.
Meinen kritischen Blick auf Politik und Politiker lasse ich mir nicht nehmen. Warum sollte ich ? Die Coronakrise kann nur durch glaubwürdige Politik und Politiker bewältigt werden. Und Politik ist in Belgien nicht immer im Interesse der Bevölkerung gemacht worden. Die jetzige komplizierte Staatsstruktur wurde geschaffen für Parteisoldaten, Postenjäger und andere karrieregeile. Jeder sollte sein Fressen bekommen auf Kosten der kleinen Menschen.
Solche Zustände verteidigen Sie kritiklos ?
Herr Scholzen, diese Diskussion gab es auch schon etliche male - niemand will ihnen irgendetwas verbieten.
Es gibt allerdings einen Unterschied zwischen sachlich argumentierter und berechtigter Kritik und permanentem Politiker-Bashing, was derzeit sehr in Mode zu sein scheint.
Sie brauchen mir auch keine Worte in den Mund zu legen ("verteidigen Sie kritiklos"), dadurch wird ihre Argumentation nicht gehaltvoller.
Schlussendlich, gibt es eigentlich überhaupt irgendeinen Politiker, der nicht bei ihnen in Ungnaden gefallen ist? Sie können ja mal für einen einzigen Tag z.B. den Job eines Premierministers übernehmen anstatt wie viele andere von der Seitenlinie aus zu meckern, dann sehen Sie, dass diese Menschen bei weitem nicht unfehlbar sind, aber dass sie sich tagein, tagaus und oft ohne Stunden zu zählen "krumm legen", um dieses Land aus der Pandemie zu bringen. Ich würde nicht mit einem Premierminister oder Gesundheitsminister tauschen wollen - nicht zuletzt, weil mir diese ständige Internet-Pöbelei zuwider ist. Deshalb: sachlich bleiben.
Herr Hezel.
Wer hätte das gedacht. Ich betreibe also "Politiker-Bashing". Das ist mal wieder so ein neuer Ausdruck, um kritisches Denken zu unterbinden. Im Übrigen ist "Politiker-Bashing" Bestandteil des Rheinischen Karnevals. Da werden Politiker nach Strich und Faden durch den Kakao gezogen. Sei es in Büttenreden oder als Motiv auf Karnevalswagen. Das ist normaler Bestandteil der politischen Kultur. Und wenn so eine Selbstverständlichkeit als nicht mehr normal angesehen wird, als "Politiker-Bashing" bezeichnet wird, ist das eine Abkehr von demokratischen Normen, Denken und Gewohnheiten.
Die Arbeit eines Premierministers oder Gesundheitsministers ist bestimmt nicht einfach. Nur sind diese Herrschaften nicht die einzigen. Jeder Arbeitnehmer muss tagtäglich Leistung bringen.
Herr Scholzen, ich glaube kaum, dass Sie den Kommentarbereich des BRF als Karnervalsveranstaltung ansehen, oder? Beim Karneval weiss man, dass so gut wie alles ironisch gemeint ist, ihr Politiker-Bashing hingegen ist ihnen völlig ernst gemeint. Menschen erst einmal als dies und jenes bezeichnen und im Nachhinein behaupten, es wäre doch alles nur Humor klingt nicht sehr glaubwürdig...
Noch einmal, niemand will irgendetwas unterbinden oder verbieten - aber wie würden Sie sich fühlen, ständig als "Karrieregeiler", "Postenjäger", usw. betitelt zu werden? Eine öffentliche Funktion wahrzunehmen heißt nicht, dass man sich deshalb solche ständigen verbalen Attacken gefallen lassen muss. "Karrieregeiler" ist kein Umgangston und schon gar kein sachliches Argument, sondern gebetsmühlenartiges Wiederholen von Kampfbegriffen mit dem Ziel, Politiker pauschal in Verruf zu bringen.
Ihre Bemerkung bezüglich der Arbeitnehmer: klassisches "Whataboutism". Davon ist nicht die Rede und niemand stellt die Leistung der Arbeitnehmer in Abrede. Wenn keine Argumente mehr da sind, müssen eben Ablenkungsmanöver her...
@Alexander Hezel
Endlich mal ein halbwegs sachlicher Kommentar 🙂
Herr Hezel.
Bitte nicht vergessen
Je suis Charlie
@MARCEL SCHOLZEN EIMERSCHEID
Natürlich, wenn man nicht mehr weiter zu argumentieren weiss, dann greift man eben zum letzten Strohhalm "Je suis Charlie".
Als Politiker aktiv werden (natürlich müssten Sie ja zuerst einmal vom Wähler bestätigt werden) dazu fehlt ihnen die Zeit und Lust.
Als Ehrenamtlicher sich in irgendeiner Form zum Wohle der Allgemeinheit einzusetzen, scheint Sie auch nicht sonderlich zu interessieren.
Es ist eben einfacher, von zuhause, aus dem bequemen Sessel heraus, die Politik ganz allgemein als mies hinzustellen und durch den Kakao zu ziehen und so nebenbei noch ihre kruden Ideen, zu praktisch allen Themen, der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.
Na ja, wenn ihnen nichts anderes einfällt, ...
Werter Herr Fink.
Jedem Tierchen
Sein Plaisirchen.
Noch folgendes Zitat von Rosa Luxemburg zum Nachdenken :
Freiheit ist immer die des Andersdenkenden.
Woher wollen Sie wissen, dass ich mich nicht für die Allgemeinheit engagiere ?
Warum sollte ich mich in einer Partei engagieren wohlwissendlich, dass nur Akademiker reelle Chancen haben ?
@MARCEL SCHOLZEN EIMERSCHEID
"Woher wollen Sie wissen, dass ich mich nicht für die Allgemeinheit engagiere ?"
Werter Herr Scholzen,
1) Dann erbringen sie doch einfach den entsprechenden Nachweis statt hier eine rein rhetorische Frage zu stellen.
2) Aha, also nur Akademiker haben reelle Chancen in der Politik aktiv zu werden.
Lügen sie sich da nicht selbst in die Tasche?
Sowohl in der Gemeindepolitik als auch auf anderen Ebenen sind bei weitem nicht nur Akademiker tätig.
Werter Herr Fink
Ich muss mich nicht Ihnen gegenüber nicht rechtfertigen.
Ich habe persönlich die Erfahrung gemacht in Sp und CSP, dass Akademiker bevorzugt werden in der Politik.
@MARCEL SCHOLZEN EIMERSCHEID
Natürlich müssen und brauchen sie sich nicht mir gegenüber zu rechtfertigen. Aber fordern sie nicht auch hin und wieder Kommentatoren dazu auf, Stellung zu beziehen?
Übrigens, wer ehrenamtliche Arbeit leistet, braucht sich bestimmt nicht zu verstecken oder hinter belanglosen Phrasen zu verbergen.
Auch muss man nicht Mitglied einer Partei sein, um Politik im Interesse der Allgemeinheit zu betreiben.
Es genügt, ganz einfach als Privatperson zu kandidieren oder eine Liste "Im Interesse der Gemeinde" zu bilden und sich zur Wahl zu stellen.
Dann Herr Scholzen könnten sie zeigen, wie aus ihrer Sicht richtige und korrekte Politik gemacht wird.
Aber, ich wiederhole mich, es ist eben einfacher, aus dem bequemen Sessel heraus, die Politik ganz allgemein als mies hinzustellen und durch den Kakao zu ziehen.