Vorsicht, an einer Ampel besteht immer erhöhte Unfallgefahr. Es ist schon ein Unglück, dass ausgerechnet Luxemburg auf der Reisewarnampel orange sieht. Das Land macht doch alles richtig, wenn es alle Bürger testen will, um auch die Dunkelziffer bei den Infektionen zu beleuchten. Logisch, dass da mehr Corona-Fälle auftauchen. Deswegen darf man das Land aber bitte nicht ins schlechte Licht rücken. Denn die luxemburgischen Daten sind so nicht mehr mit den belgischen vergleichbar. Und wenn’s schon an der Ampel gekracht hat: Der Rückwärtsgang macht’s nur schlimmer. Das nächste Beispiel dieser Woche: Erst die Reisewarnungen für Länder auf der orangenen Liste entschärfen, um das Minuten später wieder rückgängig zu machen. Das zeigt vor allem eins: Da ist kein Profi am Werk.
Auch nach fünf Monaten Corona-Krise könnte man ja noch über solche Kommunikationspannen schmunzeln, wenn bei den essenziellen Sachen alles glatt liefe. Es sorgt schon für ein mulmiges Gefühl, wenn man wie diese Woche erfährt, dass Belgien Corona-Hotspots nur sehr grob lokalisieren kann. Wer nicht wieder in den Lockdown will, muss aber ganz präzise wissen, wer in Quarantäne gehört. Damit einerseits wirklich jeder Infizierte erfasst wird und andererseits möglichst niemand umsonst in Quarantäne muss. Dass die zentrale Datenbank solche Angaben selbst nach zwei Monaten nicht oder nur mit Verzögerung liefert, bringt uns im Kampf gegen Corona unnötig ins Hintertreffen. Da steckt zu viel Sand im Getriebe einer zentralen Schlüsselstelle.
Dann müssen aber auch die Bürger mitmachen und dem Staat die persönlichen Daten anvertrauen - selbst dann, wenn Einzelne gestehen müssen, dass sie zu deutlich mehr Menschen Kontakt hatten, als sie eigentlich durften. Die staatlichen Stellen beteuern zwar, dass die Kontaktdaten ausschließlich für das Tracing genutzt werden. Trotzdem wird sich so mancher sein Geständnis zwei Mal überlegen. Zu frisch sind die Erinnerungen daran, dass Verstöße gegen Corona-Regeln richtig teuer werden können. Hier braucht es erst wieder Vertrauen in die Institutionen.
Es wird uns in der Krise vieles abverlangt. Spätestens nach den Wochen des Lockdowns wissen wir: Auch Spaß haben, Menschen treffen und Ausgehen sind systemrelevant. Das Virus ist ja soweit niedergerungen, dass einiges davon wieder möglich ist. Es ist möglich, wenn und weil wir uns an gewisse Hygiene-Regeln halten - die goldenen Regeln, wie Premierministerin Wilmès sie immer wieder genannt hat. Sie sind die klare Ansage an uns alle und eigentlich nur der Appell an den gesunden Menschenverstand.
Denn am Ende verhindern weder Tests noch Tracings die Ansteckung, sondern nur unser Verhalten. Wenn wie diese Woche ein Zoo weniger Besucher reinlässt, weil Menschen sich an Gehegen drängen - wenn Feiern aus dem Ruder laufen oder Ballermann-Touristen so tun, als wäre das Virus verschwunden - also, wenn jedes Verantwortungsbewusstsein verschwindet, dann kann eine Regierung nur noch die harte Verbotskeule schwingen. Da sollten wir nicht mehr hinwollen.
Wahrscheinlich werden wir uns tatsächlich mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass uns das Virus noch sehr lange auf Trab hält. Dass wir zwischendurch auch mal eine Pause brauchen und über die Stränge schlagen, ist nur menschlich. Übertreiben dürfen wir es aber nicht.
Dass nach Maskendebakel, Pflegeheim-Skandalen und fehlenden Tests der Staat die Latte fürs Blamieren diese Woche tiefer gelegt hat, muss für die Institutionen aber der letzte Weckruf bleiben. Hoffentlich haben wir Glück und die Ampel-Pannen dieser Woche kamen nur daher, dass bei den Behörden gerade bloß zu viele Mitarbeiter in Urlaub sind.
Oliver Krickel
Werter Herr Krickel.
Guter Kommentar. Sie haben einen zentralen Punkt angesprochen, nämlich das Vertrauen in Institutionen. Das hat erheblich gelitten aufgrund der zahlreichen Pannen in der Coronakrise.
Es wird noch viel mehr leiden als das Vertrauen in die Institutionen.
Wer ohne weiteres Grundrechte außer Kraft setzt und massenhaften Freiheitsentzug verordnet, Menschen mit Strafandrohungen, Höllenqualen und beispielloser Panikmache verunsichert zerstört das Vertrauen in den Rechtsstaat und die Volksherrschaft.
Korona könnte leicht zum Prüfstein werden, wie demokratisch gerade die europäischen Staaten eigentlich noch sind.
Werter Herr Schallenberg.
Diese Coronakrise wird zeigen, wie effizient Postenjägerei von den Parteien, durch die Parteien und für die Parteien ist. Es ist die größte Bewährungsprobe seit Jahrzehnten.