Es ist ja nicht so, als ob wir nicht vorgewarnt worden wären. Das Thema Coronavirus beherrscht seit Wochen die Gespräche und die Berichterstattung. Und wochenlang prognostizierten schon Virologen, dass wir uns wohl darauf einstellen müssten, unser Leben umzustellen.
Natürlich haben wir gehofft, dass es doch irgendwie an uns vorüberzieht. In dieser Woche wurden dann auch die ersten Fälle in Ostbelgien bestätigt und damit war das Thema nicht nur nah, sondern mitten unter uns.
Die Empfehlung vom Dienstag, Veranstaltungen mit über 1.000 Besuchern vom jeweiligen Bürgermeister absagen zu lassen, warf mehr Fragen auf als sie beantwortete. Warum gerade 1.000? Und was ist mit 999? Und was, wenn ich sie auf zwei Säle verteile? Und warum nur im Saal und nicht im Freien?
Der Epidemiologe Marius Gilbert vom Brüsseler Universitätskrankenhaus Erasmus stellte schon Mitte der Woche fest, dass es zwar logisch ist, in einer solchen Situation Großveranstaltungen abzusagen. Aber nicht unbedingt am wirksamsten. Denn auf unseren Alltag hat es nur einen begrenzten Einfluss, ob wir an einer solchen Veranstaltung teilnehmen - Derby hin, Geisterspiel her.
Wenn man so eine Epidemie ausbremsen will, muss jeder jeden Tag, so weit es geht, den physischen Kontakt mit anderen Menschen reduzieren. Das, so haben wir diese Woche gelernt, heißt "social distancing" und soll vor allem diejenigen schützen, die durch dieses neuartige Coronavirus am meisten gefährdet sind: ältere und geschwächte Menschen. Auch auf die Gefahr hin, dass diese sich geschützt und ausgeschlossen fühlen.
Was der Epidemiologe Gilbert für die folgenden Tage ankündigte, konnte uns dann auch nicht wirklich überraschen: Jetzt sind sie da, die weitreichenden Maßnahmen, nicht als Empfehlung, sondern als Ansage. Und in einer solchen Situation brauchen die Leute klare Ansagen - keine gemeinschaftspolitischen Spielchen, keine Alleingänge wie den vom Bürgermeister des Küstenortes Knokke, aber auch keine überzogenen Reaktionen wie Grenzkontrollen mit dem Fieberthermometer.
Die abgesagten Feiern und Veranstaltungen werden wir schon irgendwie nachholen können. Für den geplatzten Urlaub kommt im besten Fall eine Reiserücktritts- versicherung auf. Und für diejenigen, die als Betriebe wirtschaftlich unter der Krise zu leiden haben, trägt die Politik Verantwortung. Was für die Banken während der Finanzkrise recht war, sollte hier billig sein - auch wenn es einen Haufen Geld kosten wird.
Nicht zuletzt sollten wir uns bei allem Ernst nicht den Humor nehmen lassen. Gerade in solchen Krisen sprießt er ganz besonders. Wohl eine Art von Abwehrmechanismus. Und wie wichtig solche psychologischen Faktoren für die Gesundheit sind, das durften wir diese Woche noch von der jungen PDG-Abgeordneten Céline Kever erfahren. Darum: Kommen Sie gut durch diese Fastenzeit!
Stephan Pesch