Mundschutzmasken sind ausgegangen! Ich habe da einen unbestätigten Verdacht: nämlich dass die Masken von Fotoagenturen gehortet werden für ihre Models. Kaum eine Titelseite kommt ohne "Maskierte" aus. Da müssen wir uns nicht wundern, wenn die Leute danach verlangen. Oder sie, kaum zu glauben, neben Desinfektionsmittelspendern aus Krankenhäusern stibitzen. Und sie fehlen denen, die sie wirklich brauchen.
Worauf ich hinaus will: Wir Medien haben mit der Berichterstattung über das neuartige Coronavirus einen großen Einfluss darauf, wie es wahrgenommen wird. Und eine große Verantwortung.
Darum haben wir uns in der Redaktion auch die Frage gestellt, ob wir gleich jeden Verdachtsfall melden. Ob wir bei einem bestätigten Fall sagen sollen, aus welchem Dorf der Patient kommt. Warum wir es nicht machen wollen wie Boulevard-Medien, die vor keiner Indiskretion zurückschrecken. Kurz: Wie wir es mit dem Persönlichkeitsrecht halten.
Und mit dem Informationsauftrag. Denn es kann ja nicht darum gehen, eine so ernstzunehmende Sache unter den Teppich zu kehren. Der Löwener Virologe Marc Van Ranst, in dessen Labor die Fälle getestet wurden, sieht es sogar als notwendiges Übel an, dass die Bevölkerung beunruhigt werden konnte. Nur so lasse sich ein Verhalten auslösen, mit dem die Ausbreitung des Virus aufgehalten werden kann.
Noch gehen die Zahlen und Hochrechnungen der Virologen und Epidemiologen weit auseinander. Keiner weiß wirklich, womit wir zu rechnen haben. Das hängt ja gerade davon ab, was gegen die Ansteckung unternommen werden kann.
Ob rabiate Maßnahmen dazu gehören wie in Italien, wo alle Schulen bis Mitte März geschlossen bleiben, da ist man sich auch in Italien uneins. Wohltuend hebt sich dort ein inzwischen von mehreren Medien aufgegriffener Brief des Mailänder Schulleiters Domenico Squillace ab. Darin appelliert er an die Vernunft seiner Schüler - und an die Menschlichkeit.
Anhand eines italienischen Literaturklassikers erklärt er, das größte Risiko sei nicht die Ausbreitung des Virus, sondern "die Vergiftung des gesellschaftlichen Lebens, der menschlichen Beziehungen, die Barbarisierung des zivilen Umgangs". Bei einem unsichtbaren Feind wie einem Virus sei man geneigt, "alle Mitmenschen als Bedrohung und potenzielle Angreifer" zu sehen.
Der Heinsberger Landrat Stephan Pusch hat die unvernünftige Stigmatisierung von Bürgern aus seinem Kreis Mitte dieser Woche in etwas drastischeren Worten, aber sachlichem Ton beschrieben mit: "Tickt Ihr noch ganz sauber!" Er habe manchmal den Eindruck, dass die Angst da am größten ist, wo die ehrliche Betroffenheit am niedrigsten ist.
In aufgeregten Zeiten tut es gut, auf sie zu hören, auf die Stimmen der Vernunft!
Stephan Pesch