"Die Würfel sind gefallen", heißt es gerne nach Wahlen. So als ob es um ein Glücksspiel ginge - oder um das Schicksal. Vor allem ist es ein Trugschluss, zu glauben, dass mit der Auszählung der Stimmen alles klar sei. Natürlich gibt es Beispiele, wo das der Fall ist, wie in Burg-Reuland, Büllingen oder Amel. Oder überraschender: in St. Vith, wo fest mit einer stärkeren Aufteilung der Stimmen gerechnet worden war. In Bütgenbach dagegen müssen die drei Listen schon gezwungenermaßen in den Dialog treten, den sie sich als Neuausrichtung vorgenommen hatten.
Ganz anders die Situation im Norden der Deutschsprachigen Gemeinschaft, wo die Ergebnisse viel Raum bieten für Rechenspiele. Und da gibt auch in Ostbelgien längst nicht mehr den Ausschlag, wer die meisten Stimmen hat oder, um es mal so auszudrücken: Wer die Wahlen gewonnen hat. Denn das steht erst fest, wenn die neue Mehrheit festgelegt wurde.
Zur Rechtfertigung von dieser oder jener Festlegung heißt es dann: DER Wähler habe entschieden. Was Unfug ist. Den einen Wähler gibt es nicht - schon gar nicht bei Gemeinderatswahlen, wo es vielen Wählern doch um lokale Fragen geht: um den Bürgersteig oder die Kanalisation vor der eigenen Haustür. Um Blumenkübel oder Parkplätze in der Innenstadt. Und ganz klar um Personen.
Sicher mag auch der ein oder andere übergeordnete Trend mitspielen: Beflügelt von der aktuellen Sorge um ökologische Themen - vom Klimawandel über den Atomausstieg bis zur Rettung des grenznahen Hambacher Forstes - wittern die Grünen auch in hiesigen Gemeinden Morgenluft - bis hin zur Bürgermeisterschärpe?
Unabhängig, wie man zu diesen ökologischen Themen steht, sind es gerade auch solche übergeordneten Fragen, denen sich die neuen Gemeinderäte nach ihrer Einsetzung am 3. Dezember widmen müssen - unabhängig davon, wen sie an ihre Spitze setzen. Da, wo der Beitrag einer kleinen Gemeinde zur globalen Energiebilanz bescheiden scheinen mag, gibt es noch andere Fragen, die sich sehr wohl auf lokalem Niveau behandeln lassen - gerade im geschützten Rahmen einer Autonomie: Wie sollen unsere Dörfer und Städte in Zukunft aussehen? Wie leben wir zukünftig zusammen - unter Generationen und unter Menschen aus verschiedenen Weltanschauungen und Kulturen? Nicht in den nächsten sechs Jahren, sondern in zwei, drei, vier Legislaturperioden.
Die Julius Cäsar zugeschriebene Redewendung mit den Würfeln, die gefallen sind, bedeutet, dass es kein Zurück gibt. Wenn wir sie so verstehen, dass konsequent nach vorne geschaut werden muss, passt sie dann doch ganz gut nach Wahlen.
Stephan Pesch
„Wie leben wir zukünftig zusammen – unter Generationen und unter Menschen aus verschiedenen Weltanschauungen und Kulturen?“
Hätte diese Frage nicht im Zentrum aller Debatten vor den Wahlen stehen sollen/müssen? Die Diskussion über Blumenkübel war den Protagonisten offensichtlich bequemer. Schade um die verpasste Gelegenheit.