Ehrlich gesagt: Ich kannte sie nicht. Nadia Murad und Denis Mukwege? Wie spricht man die Namen eigentlich richtig aus? Was haben sie gemacht? Wo kommen sie her? Kann man ihre Verdienste als würdig einstufen, um den Friedensnobelpreis zu bekommen?
Die Antwort lautet: Ja. Zwar fehlt den beiden das wirklich Spektakuläre, was allein schon dadurch deutlich wird, dass man überall in den Medien nicht müde wurde zu erklären, wer die beiden überhaupt sind.
Bei dem frisch-gewählten US-Präsidenten Barak Obama vor neun und der Europäischen Union vor sechs Jahren war das ja ganz anders.
Anders wäre es auch gewesen, wenn der südkoreanische Präsident, der nordkoreanische Machthaber, Reporter ohne Grenzen, die Flüchtlingshelfer im Mittelmeer oder das Welternährungsprogramm der UN den Preis bekommen hätten. Alles Namen, die zum engeren Favoritenkreis gehört haben sollen. Alles Namen, die man kennt oder von denen man eine Vorstellung hat, wenn man Nachrichten zwischendurch ein bisschen verfolgt. Sie alle sind es aber nicht geworden.
Und das ist, je länger man darüber nachdenkt, umso besser. Denn sicher haben auch sie sich Verdienste um den Frieden gemacht. Doch Frieden muss nicht immer spektakulär sein.
Was Denis Mukwege in seinem Krankenhaus im Osten des Kongo tut, das ist unspektakulär. Im Grunde ist er nur ein Arzt, der Menschen heilt – darauf lässt es sich reduzieren. Nadia Murad ist eine junge Frau, die ein schreckliches Schicksal erleiden musste, und daraus die Kraft zieht, anderen Menschen zu helfen. Sie spricht mit ihnen – auch das ist im Grunde ziemlich unspektakulär.
Dabei tun beide Preisträger etwas Fundamentales: Sie geben Menschen ihre Würde zurück. Meist sind das Mädchen und Frauen, die oft brutal vergewaltigt wurden. Von Männer, die das taten, weil sie es eben konnten. Weil sie gewonnen haben in einem Krieg, in einem Kampf, in einem Gefecht. Weil sie einfach stärker waren und ihr Weltbild schwarz-weiß ist: Hier die Guten, da die Schlechten. Und mit den Schlechten kann man machen, was man will.
Denis Mukwege, der schon zahlreiche Preise für sein Handeln auch in Belgien erhalten hat, und Nadia Murad stellen dem ein anderes Weltbild gegenüber. Ein Weltbild, in dem es nicht gute und schlechte Menschen gibt, sondern einfach nur: Menschen. Jeder mit seiner Würde, die es zu achten gilt. Seien es Frauen, seien es Männer.
Denn: Ja, die beiden sind für ihren Einsatz für die Rechte der Frauen ausgezeichnet worden. Doch was ist das eigentlich mehr, als grundsätzlich Achtung vor jedem Menschen zu haben? Wenn jeder den anderen, seinen Mitmenschen, so achtet, wie er selbst gerne geachtet sein will – dann wäre die Welt schon viel besser als heute. Dann würde auch der Vergewaltiger sein Opfer nicht vergewaltigen. Denn wer will schon gerne vergewaltigt werden?
Von daher arbeiten Denis Mukwege und Nadia Murad täglich für Frieden. Für Frieden im Kleinen. Unspektakulär vielleicht. Aber deshalb nicht weniger wichtig.
Denn Frieden ist oft unspektakulär, findet im Kleinen statt, braucht nicht immer große Namen, die große Bühne. Jeder kann für Frieden arbeiten, bei sich zu Hause, in seinem Alltag. Mit seinen Mitteln. Als Arzt wie Denis Mukwege, als einfache Frau wie Nadia Murad, schlicht als Mensch. Dafür muss man nicht Präsident oder Mitglied in einer internationalen Vereinigung sein. Auch das ist eine Botschaft, die vom diesjährigen Friedensnobelpreis ausgeht.
Kay Wagner