Wirkungsgleich. Fast hätte es das Wörtchen in eine Reihe historischer deutscher Vokabeln geschafft wie "Waldsterben", "Weltschmerz" oder "Wendehals". Wenn denn die deutsche Bundesregierung darüber gestürzt wäre. Stattdessen trat CSU-Chef Horst Seehofer zurück von seiner Rücktrittsandrohung, was in etwa wirkungsgleich ist mit dem Hornberger Schießen. Stattdessen gibt es einen Asylkompromiss, zu dem die SPD ihren Teil beitragen durfte - und Seehofer tönt: "Das ist alles von A bis Z so, wie man sich das als zuständiger Minister wünscht".
Jetzt muss er sich selbst an die Umsetzung der abgespeckten Ziele machen. Aber wozu das Ganze? Die jetzt vereinbarte Regelung trifft im Moment vielleicht auf eine Handvoll von Migranten am Tag zu. Also nur Wahlkampfgetöse vor der Bayern-Wahl? Mehr als wahrscheinlich. Das letzte Aufbäumen eines Politikers, der die besten Zeiten hinter sich hat? Stark anzunehmen. Oder ein politisches Fingerhakeln mit Angela Merkel, der Person, der er "in den Sattel verholfen" hat, wie er nicht müde wurde zu betonen?
Am ehesten brachte es die AfD-Frontfrau Alice Heidel auf den Punkt: "Söder treibt Seehofer. Seehofer treibt Merkel ..." Und etwas weiter: "Jetzt sehen sie, wie Jagd geht. Wir sind beim Jagen". Der Frau möchte ich auch nicht alleine im Wald begegnen. Und ihren Parteifreund Gauland nicht zum Nachbarn haben. Er hat die deutsche Kanzlerin zuletzt noch als "Lebensversicherung" für seine Partei beschrieben - mit ihrem "Wir schaffen das" von 2015.
Von "Willkommenskultur" ist heute nichts mehr zu spüren. Dabei ist die Zahl von Menschen, die zu uns kommen, gesunken. Umgekehrt proportional zur Hysterie, die um das Thema herrscht. In Flandern hat NVA-Parlamentspräsident Jan Peumans seinen Parteikollegen Theo Francken für den von ihm angeschlagenen Ton kritisiert. In Anderlues wurde eine junge Frau überfallen, laut Staatsanwaltschaft weil sie ein Kopftuch trug. Der Ansatz der BRF-Redaktion in dieser Woche, das Thema Migration anhand von aktuellen Zahlen für die Deutschsprachige Gemeinschaft zu umreißen, wurde mit dem platten Hinweis auf die "Islamisten" kommentiert.
Dass die Frage der Zuwanderung eine der größten kommenden Herausforderungen ist, steht außer Frage. Wegen der Aussichtslosigkeit in vielen Ländern Afrikas. Und weil unsere alternden Gesellschaften Zuwanderung brauchen. Im oben erwähnten Asylkompromiss hat die SPD durchgesetzt, dass noch in diesem Jahr ein Einwanderungsgesetz auf den Weg gebracht werden soll, um gezielt Fachkräfte anzuwerben - wenn man so will: die "nützlichen Ausländer".
Das Sommertheater, das die CSU in den vergangenen Tagen veranstaltet hat, bedient das Machtkalkül und das, was im Ausland als "German Angst" bezeichnet wird. Und eine Ausländerfeindlichkeit, wie sie auch in Ostbelgien immer offener zur Schau getragen wird.
Das ungewohnte Wörtchen "wirkungsgleich" hat Horst Seehofer aus seiner Zeit als Gesundheitsminister mitgebracht, wie die Kollegen vom Deutschlandfunk und von der "Welt" recherchiert haben. Es bezeichnet vor allem Medikamente, die die gleiche Wirkung haben wie andere, aber billiger sind. Als Innenminister sollte Seehofer wie die Gaulands, Franckens, Salvinis, Orbans oder anderen Stimmungsmacher in der Migrationsdebatte bedenken, dass es dabei um noch etwas anderes geht: um die Risiken und Nebenwirkungen.
Stephan Pesch
: ... und um Menschen!