Selten hört man in der DG-Politik so klare Kritik von so vielen Seiten gleichzeitig wie in dieser Woche. Schon das allein beweist, dass beim Thema Nosbau einiges schief gelaufen ist. Wenn Lontzens Erster Schöffe, Roger Franssen, der sonst immer sehr vorsichtig und diplomatisch ist, Worte wie "ekelhaft" und "undemokratisch" in den Mund nimmt, dann lässt das jeden Journalisten hier hellhörig werden.
Dabei geht es in der Debatte schon fast nicht mehr um Nosbau an sich. Es geht um die Kommunikations- und Entscheidungsstrategie der DG-Regierung. Die ist schlecht. Und zwar so sehr, dass auf dem Kelmiser Gemeinderat falsche Tatsachen in die Welt gesetzt wurden, obwohl der anwesende Bürgermeister Louis Göbbels kurz vorher bei einer Informationsversammlung mit den zuständigen Ministern war.
Schlecht ist auch, dass eine große Anzahl Betroffener die Pläne der Regierung erst aus der Presse erfahren musste. Hier hat das Krisenmanagement von Minister Antonios Antoniadis versagt. Denn eigentlich hätte er, nachdem das Thema im Kelmiser Gemeinderat aufs Tapet kam, viel schneller reagieren müssen. Dort wurde schließlich offensichtlich, wie viel Klärungsbedarf es von allen Seiten in der Materie gibt. Doch der Minister sprach lieber mit der Presse als mit den Beteiligten. Die sind erst am 12. April eingeladen.
Natürlich hat es auch vorher Gespräche gegeben, aber eben offensichtlich nicht genug, und auch nicht sehr konkret. Das ist eine schlechte Kommunikationsstrategie, denn eine sachliche Diskussion unter allen Beteiligten wäre der Sache dienlicher als die Schlammschlacht, die man sich jetzt in der Öffentlichkeit geliefert hat.
Das zweite Problem der DG-Regierung ist, dass sie immer öfter den Eindruck erweckt, hinter verschlossenen Türen und über die Köpfe der Leute hinweg zu entscheiden. Das war beim Bürgerdialog zum Thema Kinderbetreuung so, wo man vor Beginn des Dialogs den entsprechenden Masterplan vorstellte. Und das war auch bei der Neueinteilung der Hilfeleistungszone so, wo man unbedingt eine einheitliche Zone für die DG haben wollte, obwohl sich in diesem Fall zum Beispiel der Norden und die anliegenden französischsprachigen Gemeinden viel näher sind, als der Norden und der Süden der DG.
Laut Regierung sind die Konzepte für den Wohnungsbau Diskussionsgrundlagen. Für die Beteiligten der Gemeinden und der Wohnbaugesellschaften sehen sie offenbar eher aus wie fertige Beschlüsse. Ein Missverständnis? Oder will man die Konzertierung in Wahrheit nur um der Konzertierung willen? Diese Fragen muss man sich stellen, denn diese Debatte, wie Minister Antoniadis es in seiner Stellungnahme tat, als "Wahlkampf" abzutun, ist falsch. Dafür bleibt die Vorgehensweise der Regierung zu undurchsichtig. Die Gemeinden und Akteure auf dem Terrain fühlen sich entmündigt. So sehr sogar, dass auch eher ruhige und diplomatische Zeitgenossen wie der Lontzener Schöffe Roger Franssen ganz deutliche Worte finden.
Unterm Strich geht es hier nicht nur um Nosbau, sondern vor allem darum, wie die Deutschsprachige Gemeinschaft neue Kompetenzen gestaltet. Entscheidet die Regierung den Kurs, so dass Parlament, Gemeinden und Akteure auf dem Terrain die Pläne nur noch abnicken müssen? Oder will man einen ehrlichen, demokratischen Prozess, der die Richtung festlegt und vielleicht auch etwas länger dauert? Diese Diskussion ist überfällig und muss geführt werden. Schade, dass sie nicht sachlich, sondern als Schlammschlacht auf dem Rücken von Nosbau ausgetragen wird.
Anne Kelleter