Interview mit dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad. Ein VRT-Journalist zusammen mit zwei Kollegen des Magazins Knack und der wallonischen Sudpresse befragen den Diktator in Damaskus.
Das Trio hat im Gefolge einer Delegation des rechtsgerichteten Vlaams Belang die Erlaubnis erhalten, ihn zu treffen. Zuvor war ein eingereichter Fragenkatalog von Assad geprüft und in Teilen autorisiert worden.
Und ausgerechnet an dem Tag, als die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die Meldung herausgibt, dass die syrische Regierung in einem Gefängnis 13.000 Menschen hinrichten ließ, strahlt die VRT das Interview aus.
Der Flämische Rundfunk bringt das Interview in voller Länge, ordnet immerhin fragwürdige und definitiv falsche Antworten Assads ein, indem sie Fakten und Kommentierungen dagegen stellt.
Aber, die Frage ist erlaubt: Ist das verantwortlicher Journalismus, einem Despoten ein derartiges Forum zu bieten?
Ist es nicht. Auch wenn Presse- und Mediengesetze in der freiheitlichen belgischen Demokratie eine solche Praxis nicht verbieten.
Es gibt keine Ausnahmen: Alle Versuche, auch namhafter, teils hochdekorierter Journalisten wie etwa Claus Kleber, Diktatoren gründlich und kritisch zu befragen, sind gescheitert. Weil der Diktator in jedem Fall das Procedere bestimmt und diktiert, was gefragt werden darf und wie das Gespräch letztlich läuft.
Die Journalisten wirken gegenüber dem Herrscher, der sie empfängt, immer seltsam klein, mitunter sogar devot. Sie sind stolz darauf, den Coup gelandet zu haben, überhaupt vorgelassen zu werden. Da nimmt man gerne in kauf, dass Fragen außerhalb des abgesegneten Katalogs barsch zurückgewiesen werden oder mit dem Abbruch des Gesprächs gedroht wird.
Den in der demokratischen Heimat angeschlagenen nassforschen, insistierend kritischen Ton gewöhnt man sich da gerne ab in diktatorischen Gefilden. Hauptsache, der Despot spricht. Und ja, besonders toll: Er spricht mit mir...
Was der Despot Assad zu sagen hatte im VRT-Interview überraschte nicht: Er teilte kräftig aus gegen den Westen und die Vereinigten Staaten, gegen den belgischen F-16-Einsatz über Syrien zur Bekämpfung der Terroristen und präsentierte sich ansonsten als der sein Volk über alles liebende Staatschef, dem jedes, militärische Mittel, recht sei, Schaden von ihm abzuwenden.
Und ansonsten sei er auch nur ein Mensch mit Fehlern, meinte er in die Kameras grinsend. Welch ein Zynismus!
Es spricht Bände, dass eigentlich ernstzunehmende Journalisten sogar bereit sind, im Fahrwasser rechtsextremer Politiker wie Filip Dewinter zu rudern, um scheinbar Außerordentliches, Außergewöhnliches zu leisten: dem prominenten Diktator ein paar Fragen zu stellen, deren Antworten man auch vorher schon kannte.
Ja, Politiker müssen reden mit den immer zahlreicher werdenden Despoten in dieser Welt. Immer und immer wieder. Damit vielleicht doch irgendwann weniger geschossen und gemordet wird und weniger Unschuldige sterben müssen.
Journalisten müssen und sollten nicht reden mit Despoten.Schon gar nicht in öffentlich-rechtlich ausgestrahlten und steuerlich finanzierten Interviews. Sie haben keinen Mehrwert für uns, höchstens für Verschwörungstheoretiker und Feinde der Demokratie.
Rudi Schroeder - Foto: Achim Nelles/BRF
"Der Flämische Rundfunk bringt das Interview in voller Länge, ordnet immerhin fragwürdige und definitiv falsche Antworten Assads ein, indem sie Fakten und Kommentierungen dagegen stellt."
Im Zeitalter trumpscher Fake-Rhetorik kennt die Verbreitung von Lügen, alternativern Fakten und Verschwörungstheorien in den Medien und insbesondere in den Internetforen einen regelrechten Boom.
Jeder öffentlich-rechtliche Sender sollte - wenn er schon nicht selbst gewillt ist, solche demokratiezersetzenden Umtriebe zu unterbinden - zumindest eingebrachte Faktenchecks von außen unterstützen. Aber dazu bedarf es einer Positionierung und ja...Fingerspitzengefühl.
Wenn Journalisten im Schutz ihrer Studios und aus der Distanz Autokraten, Despoten und Quartalsirre an den Schalthebeln der Macht in Berichterstattungen und Kommentaren zurecht bloßstellen, sollte es eine Herausforderung sein, dies auch im Interview "Face to face" zu tun. Wenn ihnen dies nicht gelingt, liegt dies nicht immer an den Despoten. Wenn ein Journalist die Gelegenheit nicht sucht, sich selbst ein Bild zu machen, sollte der den Job wechseln.
Warum diese Aufregung ? Jeder Politiker, ob aus Syrien oder der DG, versucht sich in einem Interview möglichst gut zu verkaufen. Erst dann geht es um Information.
Es geht nicht darum, sich "gut zu verkaufen", sondern um Mord am eigenen Volk (siehe letzter Bericht von Amnesty International) - ich glaube nicht, dass das mit der DG zu vergleichen ist.
Sehr geehrter Herr hezel.
Auch an den Fingern belgischer Politiker klebt Blut. Dies passiert bei jedem Auslandseinsatz der Armee. Woher will man wissen, ob die Bomben und Kugeln stets einen Terroristen oder anderen Outlaw treffen. Könnten auch Mal Zivilisten treffen. Ein besonders negatives Beispiel war der NATO Einsatz gegen Libyen. Hat nur Chaos und Not hinterlassen. Der einzige Unterschied zu Assad besteht darin, dass die Einsätze der belgischen Armee völkerrechtlich legitimiert sind.