"Wir wünschen Lutz Bernhardt das Beste für die Zukunft", schrieb das GrenzEcho diese Woche über seinen Chefredakteur, der nach Spannungen und Streikankündigungen der Redaktion das Verlagshaus verlassen hat. In nur vier Jahren ist dies der dritte Wechsel in der Redaktionsleitung.
Olivier Verdin, der geschäftsführende Direktor der Zeitung, rief in einem BRF-Interview sogar potenzielle Interessenten dazu auf, sich für den Posten zu bewerben. Für "gute Leute" sei das GrenzEcho immer offen. Eile sei nicht geboten, man wolle sich die nötige Zeit lassen, einen geeigneten Kandidaten zu finden.
In der Zwischenzeit bleibt das Schiff ohne Kapitän. Dass die Mannschaft kompetent und motiviert genug ist, um das Schiff vorübergehend alleine zu steuern, steht außer Frage. Denn ohne das Know-How und die journalistische Kompetenz der Redaktion hätte die Zeitung vielleicht schon lange Schiffbruch erlitten. Doch hohen Wellengang und stürmische See wie in den vier letzten Monaten braucht die Besatzung nicht. Auf ruhiger See erscheint die Linie des Horizonts viel klarer. Da lässt sich leichter in die Zukunft blicken.
Kampf ums Überleben
Wohin steuert das GrenzEcho? Die Zeitung hat, betrachtet man ihre Geschichte, immer ums Überleben gekämpft. Ein Beispiel: Schon 1983 war die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens gefährdet. Es folgte die "ostbelgische Lösung". Der Eupener Unternehmer Alfred Küchenberg und der St. Vither Geschäftsmann Ernst Thommessen übernahmen das GrenzEcho und legten ein Sanierungsprogramm auf.
Diese "ostbelgische Lösung" wurde 1996 mit einer Partnerschaft und Beteiligung der Brüsseler Verlagsgruppe Rossel verankert. Später wurde in den Ausbau der Rotationsabteilung investiert, dann die Bogendruckerei filialisiert und verkauft. Die neue Firma "Lëen Print" musste Konkurs anmelden.
Im vergangenen Jahr wurden die Druckaktivitäten in Eupen eingestellt, das GrenzEcho bei Rossel gedruckt. Damals schrieben Verwaltungsrat und Direktion, man wolle vorsorgen, bevor die GrenzEcho AG in eine Zwangslage gerate, da das Unternehmen noch auf gesunden Füßen stehe.
Hinzu kommt, dass nicht nur die Auflagenzahlen wie bei vielen anderen Tageszeitungen, zurückgegangen sind, auch das Online-Geschäft bleibt hinter den Erwartungen zurück. Und dann noch die Unruhen in der Redaktion.
Suche nach dem richtigen Weg
Die GrenzEcho-Führung verweist auf einen Veränderungsprozess, der seit einiger Zeit im Gange ist. Nach wie vor ist man auf der Suche nach dem richtigen Weg in einer komplexen digitalisierten Welt, in der sich das GrenzEcho wie alle Medien neuen Herausforderungen stellen muss. Das sich wandelnde Mediennutzungsverhalten, das Wegbrechen alter Gewohnheiten, die Individualisierung des Medienkonsums, die wachsende Konkurrenz der Sozialen Medien, in denen sich Amateurjournalisten und - autoren tummeln – all das zwingt die Verantwortungsträger, nach inhaltlicher Neuorientierung und wirtschaftlicher Absicherung zu suchen.
Die Frage der Orientierung, der künftigen Ausrichtung des GE ist mit unterschiedlichen Auffassungen, Sichtweisen und Interessen unter anderem innerhalb des Verwaltungsrates und der Geschäftsführung verbunden. Da ist es nicht verwunderlich, wenn aus dieser Verunsicherung heraus Spannungen entstehen.
Die frühere CSP-Zeitung "Grenz-Echo" gibt es schon lange nicht mehr. Und das ist auch gut so. Die Zeitung hat mit ihrem professionellen Erscheinungsbild und der Qualität vieler journalistischer Erzeugnisse schon gewaltige Schritte in die richtige Richtung gemacht. Das ist auch das Verdienst der Chefredakteure der letzten Jahre und der Redaktion.
GrenzEcho für DG unverzichtbar
Und Nein: mit ihrer relativ bescheidenen Pressebeihilfe der DG hängt die Zeitung nicht am Tropf der Gemeinschaft. Das GrenzEcho muss sich der Entwicklung auf dem Medienmarkt anpassen und der Komplementarität von Print und Digital Rechnung tragen. Im begrenzten Umfeld Ostbelgiens und der Individualisierung in der Gesellschaft ist es kein Leichtes, sich neu zu erfinden.
Die "Lokalrunde", die die Zeitung ins Leben gerufen hat, ist ein erster Schritt. Sie soll ihr helfen zu spüren, was der Bürger, der Leser will, wo es den Menschen unter den Nägeln brennt. Ein weiterer Schritt wäre vielleicht die Verstärkung der Brüsseler Redaktion als Nahtstelle zum nationalen und europäischen Kontext. Gibt sie sich die Chancen und die Mittel dazu, könnte die Zeitung eine Autorenzeitung werden, die Leser nicht aus Gewohnheit, sondern aus Interesse kaufen. Das GrenzEcho könnte so einen eigenen Marktplatz schaffen, auf dem Begegnung, Hintergrund, Austausch und Reflexion interagieren.
Für die DG und Ostbelgien ist und bleibt das GrenzEcho unverzichtbar. Dafür bedarf es aber eines starken, seefesten Kapitäns, der mit seiner Besatzung harmoniert und einer Führungsebene, die an einem Strang zieht und eine stringente Philosophie vertritt. Das GrenzEcho wünscht seinem Ex-Chefredakteur viel Glück für die Zukunft. Viel Glück sollte sich die Zeitung auch selber wünschen. Vor allem aber Tatkraft, Mut und Transparenz. Damit klar ist, wohin das Schiff denn steuern soll.
Chantal Delhez - Foto: Achim Nelles/BRF