Es hätte auch anders herum ausgehen können, das Ergebnis wäre wohl das gleiche gewesen: Stillstand. Jetzt, beim Brexit, jahrelange Verhandlungen über die Scheidungsmodalitäten und mit Sicherheit Verhandlungen über die weitere Zusammenarbeit.
Nichts Neues also mit den Briten, die schon zu Zeiten von Charles De Gaulle und später Edward Heath nur mit einen Fuß aufs Festland setzten, bevor dann die spätere Baroness Thatcher mit ihrem "I want my money back" dem europäischen Gedanken den erhobenen Mittelfinger zeigte.
London dachte schon immer transatlantisch, bis hin zum Falkland-Krieg, mit dem Frau Thatcher als erste den Begriff des Krieges innerhalb der europäischen Gemeinschaft wieder hoffähig machte. Transatlantisch auch mit Tony Blair, der mit dem Pentagon Richtung Bagdad marschierte, mit den bekannten Folgen.
Bei der Ablehnung des "Brexit" wäre dann der große Schub gekommen? Die große Erneuerung? Eine EU reloaded? Träumen Sie weiter, dream on, Charles Michel. Klingt gut, ein solcher Aufruf, geradezu rührend, sogar glaubwürdiger als der Aufruf von Verhofstadt, der nicht umsonst zu Beginn "Baby Thatcher" genannt wurde, und erst diese Woche Putin, wahrlich kein unzweideutiger Zeitgenosse, einen "Feind" nannte. Ist das klug, eine solche Rhetorik? Als Sprecher einer Friedensgemeinschaft, die längst ihre Unschuld verloren hat?
Also eine EU auf neuer Basis, die sich ihrer selbst besinnt? Kaum zu erwarten. Im Brüsseler Berlaymont hätte man sich in die Backen geblasen, ein tiefes "Uff" ausgestoßen, und, wetten, es hätte geheißen, "business as usual". Will sagen SEC-Normen, Six-Pack, Ideenlosigkeit, bestenfalls Glyphosatverbot.
"Shall I stay or shall I go" hieß es bis zum Morgen, besser passt Bob Dylan mit den Zeiten, die sich ändern. "The times they are a changing". Mit welchem Enthusiasmus gingen die Europäer in der Pionierphase an die Sache ran! Dann kamen die Wellness-Mogelpackungen: Schengen zum Beispiel, in Wirklichkeit ging es dabei um polizeiliche Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg, und dann doch nur halbherzig betrieben.
Dann kam der Euro, wie eine Banane für die Bürger, in Wirklichkeit ging es um Austeritätspolitik, und eine monetäre Zwangsjacke, weil man dummerweise vergessen hatte, dass eine Währung auch einer Grundlage bedarf, einer echten Souveränität, und nicht eines Treibsandes, wo Schlachthäuser mit Dumpinglöhnen arbeiten.
Ironie der Geschichte: Ausgerechnet Tony Blair wollte die Osterweiterung, ein Atlantiker halt, der Geopolitik betrieb, im Einklang mit Washigton.
Die, die jetzt eine neue EU verlangen, werden sie die kriegen ? Wie gesagt, Zweifel sind angebracht, hier ein Vorschlag zur Güte: In Belgien, immerhin ein Gründungsmitglied, gab es einen monatelangen Gefängniswärterstreik, wie wäre es mit einem europaweiten Programm für einen gesellschaftsfreundlichen Strafvollzug? Vorbilder gibt es in Schweden und in Kanada.
Oder wie wäre es mit einem Grundeinkommen für alle Europäer, ohne Aushöhlung der Sozialversicherung? Nur zwei Vorschläge unter vielen, die möglich sind. Geld ist genug da, selbst das ach so strenge deutsche Verfassungsgericht hat der Europäischen Zentralbank in dieser Woche carte blanche gegeben.
Wenn Sie, Herr Verhofstadt, schon tönen, "Shakespeare gehört zu uns" , lassen Sie sich was einfallen ... wertemäßig wohlgemerkt.
Frederik Schunck
Richtig erkannt, Fred! Weil, wie du schreibst, "London dachte schon immer transatlantisch", MUSSTE Brexit kommen, egal wie, "Koste es, was es wolle", wie uA Juncker, Merkel und Draghi mantraartig wiederholen - "in reverse", so zu sagen. Es gilt teleologisch die Sache zu betrachten; wieso wohl treten die ENGLÄNDER aus, und denken transatlantisch? Manfred Kleine-Hartlage erklärt es in einem sehr klugen Büchlein - einfach googeln oder bei Amazon suchen. Und Churchill hat es oft deutlich gemacht...