Mit Spannung und Vorfreude wurde sein Auftritt erwartet. Viele sehen in ihm den Favoriten der diesjährigen Ausgabe des Concours Reine Elisabeth und er hat nicht enttäuscht: Lukas Vondracek, 29 Jahre, eine in jeder Hinsicht beeindruckende Persönlichkeit. Nach seiner Interpretation des dritten Rachmaninow-Konzerts stand fast der gesamte Saal wie ein Mann auf und bedachte den Musiker mit Standing Ovations.
Zuvor hatte der Amerikaner Larry Weng das zweite Brahms-Konzert gespielt. Der 28jährige Weng ist eine einnehmende Persönlichkeit. Sehr sympathisch, stets lächelnd, zeigt er die Farbenvielfalt der Ledoux-Partitur auf, ein Pianist, der mit Energie und der notwendigen Virtuosität sein Programm anbietet, allerdings liebt er es mit fast schon demonstrativer Kraft zu spielen. Das heißt: Sein Anschlag ist enorm hart, mit leider nur wenig Nuancen.
Er hat als Wahlkonzert für das zweite Klavierkonzert von Johannes Brahms optiert. Man muss es mit dieser Deutlichkeit sagen, wer dieses Konzert wählt, spielt mit dem Feuer. Es ist unglaublich schwer und unglaublich lang. Da bleibt gar nicht die Zeit in der vorgesehenen Probezeit von einer Stunde mit dem Orchester die Feinheiten auszuarbeiten. Ein ehemaliger Sieger des Concours ist bis heute seinem Lehrer dankbar, dass dieser ihm damals untersagte, dieses Konzert anzubieten. Wir werden Larry Weng aufgrund seiner Herzlichkeit aber in bester Erinnerung behalten.
Unvergessen wird ganz gewiss Lukas Vondracek bleiben. Schon als er das Podium betritt, spürt man, dass das Publikum etwas ganz besonders erwartet. Kein anderer Finalist ist mit solch großem Beifall begrüßt worden, die Gesichter der Musiker des Belgischen Nationalorchesters verraten ihre Vorfreude.
Und Vondracek enttäuscht nicht. In seiner typischen Körperhaltung liegt dieser Riese fast auf den Tasten, aber das tut der Geläufigkeit seiner Finger nichts an. Er präsentierte die bis dahin packendste und auch inspirierteste Fassung von Butterfly’s Dream. Das war aber nur das Vorspiel zu seinem Rachmaninow-Konzert, das man so nur selten gehört hat.
Vondracek wagt Tempi, von denen andere nur träumen können, und trotzdem bleibt jeder Ton deutlich und klar. Dabei lächelt er immer wieder die Dirigentin Marin Alsop an, sie sind Komplizen mit einem gemeinsamen Ziel: Den Zuhörern eine dem Werk getreue und atemberaubende Konzertaufführung zu präsentieren. Es ist unglaublich spektakulär, wie sie das Tempo im Finalsatz nochmals anziehen. Dabei legt Vondracek Wert darauf, jedes Crescendo fein auszugestalten.
Lukas Vondracek ist in jedem Fall ein heißer Kandidat für die ersten Plätze. Aber es kommen ja noch vier Kandidaten. Am Freitag sind dies der Russe Dmitry Shishkin, der sicher im Tschaikowsky-Konzert für ein musikalisches Feuerwerk sorgen wird, danach spielt der 20jährige Italiener Alberto Ferro, der jüngste Finalist, der übrigens als einziger das Pflichtkonzert auswendig spielen wird. Dies erfuhren wir gestern von den Orchestermusikern, die zurecht voller Bewunderung für diese Gedächtnisleistung waren.
Und für Samstag stehen mit der Japanerin Kana Okada und dem Amerikaner Henry Kramer zwei weitere Pianisten an, die ebenfalls für eine positive Überraschung gut sein können. Die Würfel sind noch nicht gefallen, aber eines ist sicher, Vondracek hat die Messlatte sehr hochgelegt.
Hans Reul - Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)