Der Concours ist immer für Überraschungen gut. Wohl nur die wenigsten hätten gedacht, dass der Koreaner Chi Ho Han für die ersten Standing Ovations im Palais des Beaux-Arts sorgen sollte. Aber gehen wir der Reihe nach.
Zunächst spielte der Kroate Aljosa Jurinic. Eines ist sicher: Er beherrscht das Pflichtkonzert von Claude Ledoux und kann sich auch hinsichtlich der Balance gegenüber dem Orchester behaupten. Mit unglaublicher Leichtigkeit gibt er dem Werk eine ganz neue Dramatik. Man kann sich die Frage stellen, ob dies dem "Butterfly's Dream" - so ja der Titel des rund 16-minütigen Stücks - gerecht wird. Lange Zeit bleibt die Poesie auf der Strecke, erst ganz zum Ende wird die Traumatmosphäre spürbar. Jurinic präsentiert eine eher expressionistische und weniger impressionistische Interpretation.
Auch in seinem Wahlkonzert, dem Klavierkonzert Nr. 1 von Frédéric Chopin konnte er nicht ganz überzeugen. Bewundernswert ist die Fingerfertigkeit, selbst im feinsten pianissimo klingt jede Note ganz deutlich wie an einer Perlenschnur aufgereiht. Das ist alles unglaublich präzise, auch lyrisch ohne je in Pathos zu verfallen, das gilt auch für den langsamen Satz. Das Finale stellt ihn vor keine Schwierigkeiten, allerdings wirkt alles ein wenig unbeteiligt. Liegt es am Werk? Liegt es vielleicht auch am wenig motivierenden Orchestersatz? Den bewundernswerten Visionär Aljosa Jurinic, den wir noch im Halbfinale erleben konnten, vermisste man am Mittwochabend. Schade.
Chi Ho Han überrascht positiv
Nach dieser leichten Enttäuschung folgte dann aber die positive Überraschung des Abends mit dem 24-jährigen Koreaner Chi Ho Han. Dass auch er ein glänzender Techniker ist, das hatte er schon in den beiden ersten Runden bewiesen - das gilt aber für alle Finalisten, sonst wären sie schon längst ausgeschieden. Aber bisher hatte man immer den Eindruck, Chi Ho Han wäre ein sehr gelehriger Schüler, der alles richtig machen möchte, dem aber die Persönlichkeit fehlt. Das war dann am Mittwochabend ganz anders. Im "Butterfly's Dream" fühlte er sich hörbar wohl, zeitgenössische Musik macht ihm keine Angst, schon im Halbfinale hatte er "Tears of Light" von Fabian Fiorini auswendig gespielt. Das war in der Kürze der Vorbereitungszeit für das Ledoux-Werk natürlich nicht möglich, Nichtsdestotrotz gelang ihm eine spannende Wiedergabe, der man ab und zu noch ein bisschen mehr Mut zur Freiheit gewünscht hätte.
Welch herrliche Klangfarben er dem Konzertflügel verleihen kann, das zeigte er im dritten Rachmaninow-Konzert. Er startet in einem eher schnellen Tempo, dann aber nimmt er sich zurück und kann die Melancholie aufs Feinste gestalten. Das gilt auch für die nachfolgenden Sätze. Das Publikum dankte ihm mit Standing Ovations. Die hat er verdient. Aber ich finde, Alexander Beyers Interpretation des gleichen Konzerts war mindestens genauso berührend und beeindruckend.
Jetzt warten alle mit Vorfreude auf den Tschechen Lukas Vondracek, der am Donnerstagabend ebenfalls dieses dritte Rachmaninow-Konzert als Wahlwerk anbietet. Eines ist sicher, er wird alles wagen, er ist eine große Persönlichkeit und liebt das Risiko. Das kann ein sehr spannender Abend werden.
Hans Reul - Bild: Nicolas Maeterlinck/BELGA