Ohne den beiden Kandidaten von Montagabend zu nahe treten zu wollen, muss man sagen, sie lieferten eine Art Warm-Up im Vergleich zu dem, was Alexander Beyer am Dienstag am zweiten Finalabend des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs präsentierte. Zurecht war das Publikum begeistert und applaudierte minutenlang nach dem Auftritt des Amerikaners.
Schon seine Interpretation des Pflichtkonzerts von Claude Ledoux wurde zu einem Erlebnis. Beyer verstand es, die verschiedenen Aspekte des Stücks auszuleuchten. Sein Anschlag ist von wunderbarer Sensibilität, jeder Ton bekommt seine Bedeutung in einem in sich geschlossenen Gesamtspiel. Manchmal macht er aus "A Butterfly's Dream" ein fast romantisches Konzert, dann lässt er den Schmetterling in freiem Flug entschweben, auch den kleinen Jazz-Moment genießt Beyer und führt das Orchester auf fast schwebende Art und Weise zum Finale. Das war bisher die spannendste Wiedergabe des Werks unseres Landsmannes Claude Ledoux.
Und das Vergnügen setzte sich mit dem pianistischen Renner des Concours Reine Elisabeth fort, dem dritten Klavierkonzert von Sergej Rachmaninow. Gar nicht mal so schnell wie manch anderer Tastenlöwe es gerne macht, geht er den ersten Satz an, fast schon ein bisschen zurückhaltend, aber wiederum jede Note, jeden Ton auskostend. Aber er bleibt nicht durchgehend so vorsichtig. Ganz im Gegenteil, wie er die rubati und accelerandi setzt, also das Tempo mal verzögert und dann wieder anzieht, das ist sehr gewagt. Zumal im Zusammenspiel mit dem Orchester, das ihm ja folgen muss. Ab und zu läuft das Ganze dann auch mal kurz auseinander, aber im allgemeinen ist die Dirigentin Marin Alsop ihm eine sehr aufmerksame Partnerin.
Im langsamen Teil des Konzerts lässt Beyers romantisches Naturell den Pianisten fast schon träumen und führt ihn gleich in den virtuosen Finalsatz, den er zugleich mit Nostalgie als auch Witz versieht. Das Publikum dankte ihm mit minutenlangem Applaus, der ihn in die Künstlerloge begleitete, wo er den Ovationen noch eine Weile nachlauschen konnte. Denn beim Concours Reine Elisabeth ist es nicht erlaubt, nochmals auf die Bühne zurückzukehren.
Koreaner Hans Hiong Min Suh
Danach folgte der Koreaner Hans Hiong Min Suh, der am kommenden Sonntag seinen 26. Geburtstag feiern wird. Hochkonzentriert geht er den "Butterfly's Dream" an. Aber von Traum oder von einem Schmetterling ist während seines Vortrags leider nur wenig zu spüren. Das ist handwerklich von ganz hohem Niveau, was er anbietet, aber es lässt einen eher unberührt zurück. Schade, denn auch Hans Suh hat enorm viel Potenzial. Und das zeigt er im Klavierkonzert Nr. 2 von Sergej Prokofiev.
Hier ist er sogleich in seinem Element. Unglaublich verinnerlicht, so als würde er die Trauer, die dem Konzert innewohnt - ein Konzert, das Prokofiev nach dem Tod eines lieben Freundes komponierte - nachvollziehen. Aber er ist auch in der Lage, das anschließende kurze Scherzo, mit unvergleichlicher virtuoser Geläufigkeit und rhythmischer Präzision zu spielen. Was allerdings immer wieder ein bisschen negativ auffällt, ist der harte Anschlag, der sich im weiteren Konzertverlauf noch verstärkt. Auch Suh zeigte mal wieder, wie hoch in diesem Jahr das Niveau des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs ist.
So darf es weitergehen. Am Mittwochabend sind der Kroate Aljosa Jurinic und ein weiterer Koreaner, nämlich Chi Ho Han, an der Reihe.
Hans Reul - Bild: Nicolas Maeterlinck/BELGA