Es ist das ganz Besondere am Königin-Elisabeth-Wettbewerb: das Pflichtkonzert, das jeder der zwölf Finalisten in nur einer knappen Woche einstudieren muss. Und dies in der Abgeschiedenheit der Chapelle Reine Elisabeth in Argenteuil vor den Toren Brüssels. Seit vorige Woche Montag zogen hier paarweise in der Reihenfolge ihres Auftritts in dieser Woche die zwölf Finalisten ein und entdeckten das Werk. Es ist diesmal eine Komposition unseres Landsmanns Claude Ledoux mit dem Titel "A butterfly's dream". Was haben die Kandidaten bei den Interviews nicht über diese Partitur gestöhnt. Als unglaublich schwer, sogar als unspielbar wurde das Stück beschrieben. Fürwahr ein Blick in die Partitur verrät, es ist eine unglaubliche Herausforderung für jeden Pianisten. Aber es ist auch - und das kann jeden Musikliebhaber nur erfreuen - ein sehr schönes und hörenswertes Werk, dem man auch nach dem Concours ein weiteres Leben wünschen möchte.
Claude Ledoux hat ein farbenreiches Konzertstück geschrieben, in dem der Klavier- wie Orchesterpart von großer Bedeutung sind. Ausgehend von einem Buch des chinesischen Philosophen Zhuang Zhou aus dem vierten Jahrhundert vor Christus schuf er ein rund 16-minütiges Werk, das sowohl deutlich erkennbare exotische Momente, wie starke Anlehnungen an die Tonsprache eines Debussy und in den rhythmischen Passagen fast jazzige Ansätze aufweist. Dem Traum des Schmetterlings kann jeder der Finalisten eine sehr persönliche Sicht verleihen und das war auch schon am Montagabend der Fall.
Die Ehre der Uraufführung kam der Koreanerin Yoonji Kim zuteil. Ihre Interpretation war sehr impressionistisch geprägt, sie legte vor allem Wert auf die Klanggestaltung, was vor allem den langsamen Passagen zu gute kam. Ganz anders dann der Japaner Atsushi Imada. Sein Spiel ist ohnehin schon kraftvoller, er setzt neue Akzente, kann sich auch dem Orchester gegenüber besser behaupten. Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen in der Wiedergabe der Ledoux-Partitur. Das verspricht spannend zu werden.
Die 27-jährige Yoonji Kim spielte als Wahlkonzert das Klavierkonzert Nr.1 von Franz Liszt. Ob dies eine gute Wahl war, sei mal dahingestellt. Schon gleich in den ersten Läufen zeigten sich ganz kleine Unsicherheiten, die aber sehr schnell verflogen, im langsamen Teil dieses sehr kurzen Konzerts gelang ihr wieder eine poetische Sicht. Und im virtuosen Schlussteil war ihr Spiel von sehr differenziertem Anschlag geprägt. Allerdings ohne den Glanz, der diesem Werk innewohnt. Auch tat sie sich manchmal schwer dem Orchester Paroli zu bieten.
Ganz anders dann der 25-jährige Japaner Atsushi Imada. Bei seiner Vorstellung des Klavierkonzerts Nr. 2 von Sergeï Prokofiev sind Kraft und Leichtigkeit gepaart. Er zeigt die ganze Dramatik und Tragik, die dem ersten Satz innewohnt. Das Scherzo lässt er gemeinsam mit dem Belgischen Nationalorchester unter der sehr umsichtigen Leitung von Marin Alsop in einem Wahnsinnstempo vorüberfliegen, auch im dritten Satz begeistert er mit feiner Anschlagkultur, im Finale ging ihm ein wenig die Puste aus. Aber das trübte den Gesamteindruck nur minimal.
Am Dienstagabend ist mit dem 21-jährigen Amerikaner Alexander Beyer einer der Publikumslieblinge der ersten beiden Runden an der Reihe sowie der Koreaner Hans H. Suh.
Hans Reul - Bild: Nicolas Maeterlinck/BELGA