Heute Abend ist es soweit: Das erste Semifinale beim 61. ESC in Stockholm geht über die Bühne. Vielleicht einmal die passende Gelegenheit, zu sehen, wie sich unsere Nachbarn präsentieren. Denn heute Abend sind bereits die Niederlande am Start. Wobei die große Frage im Raum steht: Warum unterbrechen Douwe Bob und sein Team den Song "Slow Down" für 10 Sekunden. Damit haben sie hier für reichlich Diskussionen gesorgt. Und deshalb gab die niederländische Delegation eine Pressemitteilung für das "Loch" heraus. Darin wird Douwe wie folgt zitiert:
"Ich liebe es hier in Stockholm zu sein und praktiziere was ich predige: Ich entschleunige auf eine gute Art und Weise. Ich habe so viel Spaß. Schweden war wirklich gut zu mir. Es macht mich wirklich glücklich dass die Leute auf die Ruhe nach dem Solo in "Slow Down" reagieren. Die 10-Sekunden-Pause ist meine Art eine Botschaft gegen die Geschwindigkeit in unserem Leben zu setzen. Ich denke, dass Ruhe eine mächtige Sache im Europa unserer Zeit ist, in der alles nur noch laut, dramatisch und schnell ist. Ist es nicht interessant, dass 10 Sekunden Ruhe eines der Themen ist, über die am meisten in diesem Jahr gesprochen wird? Für mich ist diese Unterbrechung wie eine leere Leinwand und ich lade die Zuschauer ein darauf zu malen was immer sie mögen. Egal ob sie schweigen, weitersingen, mir zuprosten oder schreien - es bleibt vollkommen ihnen überlassen."
Aber ob das eine wirklich gute Idee ist? 10 Sekunden können verdammt lang sein, überhaupt wenn die Mehrheit der Zuschauer glaubt, es wäre eine Panne. Grundsätzlich wird der handgemachte Country-/Folksong, der ein bisschen an die Common Linnets erinnert, aber professionell und sympathisch dargeboten.
Auch Frankreich werden wir heute Abend schon einmal zu sehen bekommen. Wenn auch außer Konkurrenz, denn Frankreich gehört zu den "Big Five", den sogenannten Geldgeberländern (Frankreich, Deutschland, Spanien, Italien und Großbritannien), die Franzosen dürfen aber heute mit abstimmen, wer das Finale erreicht. Die Enttäuschung im Pressezentrum bei allen Betrachtern der ersten französischen Probe war beträchtlich. Immerhin hatte man erwartet, dass mit Amir ein scharfer Konkurrent für Sergej Lazarev ins Rennen geht. Etwas unmotiviert sang er sein „J’ai cherché“ - und wahrscheinlich sucht er immer noch nach der optimalen Darbietung. Der Video-Content für den Hintergrund ist verhältnismäßig beliebig, seine Bewegungen und seine Gesangsweise, die nicht immer perfekt war, wirkten so, als habe er noch nicht so richtig Lust auf den Contest. Er wippt zwar kontinuierlich im Takt seines Songs und lächelt sehr viel, aber der Funke springt noch nicht über. Man kann Amir nur die Daumen drücken, dass im Finale alles besser sein wird.
Jamie Lee Kriewitz aus Deutschland hat hier viele sehr positiv überrascht - und so manch einen beruhigt. Ihre Probe war richtig gut. Zum einen sang sie tadellos und alle Wechsel zwischen Brust- und Kopfstimme klappten sehr gut. Jamie Lee wandelt in ihrer unverkennbaren Gangart durch einen wirklich sehr imposant-mystischen Zauberwald aus wuchtigen tieffarbigen Bäumen und mit nach oben gerichteten grünen Laserstrahlen. Die Kamera-Rückwärtsfahrt am Anfang fängt Jamie-Lees Gang zur Bühnenrampe sehr schön ein und baut Spannung auf. Die Mystik wird durch einen Wechsel auf die Vorbühne mit etwas notwendig aussehenden Schritten durchbrochen, zumal dann einige Kameraeinstellungen das Publikum einfangen sollen. Das braucht es eigentlich nicht und könnte die zauberhafte Stimmung etwas beeinträchtigen. Aber das ist eine Marginalie. Sie werden wir erstmals als "Einblendung" im zweiten Halbfinale sehen, denn dann ist Deutschland abstimmungsberechtigt.
Unsere Laura Tesoro hat sich inzwischen auch in ihrem Bühnenoutfit präsentiert. Und das passt hervorragend zum Gesamtbild. Das silber glitzernde Paillettenensemble aus kurzer Hose, Blazer und Top erinnert an eine Diskokugel und fügt sich stimmig in den Vintagelook der 70er Jahre und den Funkysound von „What´s the Pressure“ ein. Silber wird bei den komplett weißen Hosenanzügen der Tänzer nur als Streifen wiederholt. Es ist eine Freude anzusehen, wie die stets gut gelaunte Laura auch noch bei der dritten Probe keine Ermüdungserscheinungen zeigt - sowohl tänzerisch, als auch gesanglich - perfekt sitzt jeder Schritt der schnellen Choreografie. Schon als Kind habe sie viel getanzt und durch tägliches Lauftraining (auch hier in Stockholm) arbeite sie ständig an ihrer Kondition, verrät Laura anschließend im Interview, das Temperament sei ihr aber wohl von der italienischen Seite ihrer Wurzeln in die Wiege gelegt worden. So kann man sich also freuen: auf eine hochkarätige Performance im Stil der 70er Jahre, die keineswegs angestaubt ´rüberkommt, sondern ein sehenswerter Abschluss des zweiten Halbfinales sein wird. Wir drücken Laura die Daumen für den Einzug ins ESC-Finale.
Sendetermine im Fernsehen:
10.5.2016, 22:00 Uhr - La Une: 1. Semifinale
21:00 Uhr - Phoenix
21:00 Uhr - Einsfestival
12.5.2016 21:00 Uhr - La Une: 2. Semifinale
21:00 Uhr - Phoenix
21:00 Uhr - Einsfestival
14.5.2016 21:00 Uhr - La Une: Finale
21:00 Uhr - ARD
21:00 Uhr - Einsfestival
Fotos: Sigi Doppler