Es ist die wohl bisher beste Produktion dieser Saison im Lütticher Opernhaus. Denn hier stimmt einfach alles: das Bühnenbild, die Inszenierung und die Besetzung. La Scala die Seta von Gioachino Rossini ist eine kurze und mit dem typischen Rossini-Witz geprägte Oper.
Die junge Giulia hat heimlich ihren Liebsten Dorvil geheiratet. Über eine seidene Leiter, die auch der Oper den Titel gibt, besucht er sie jede Nacht. Aber Giulias Vormund Dormont hat beschlossen, sie solle den wohlhabenden Blansac heiraten. Damit nimmt die Komödie ihren Lauf, denn es ist eine mit Esprit und Witz versehene Opera buffa, die am Ende nach zahlreichen Verwechslungsszenen gut ausgeht: Dormont akzeptiert die Ehe der jungen Leute und auch Blansac findet in Lucilla seine Gattin.
Regisseur Damiano Michieletto, der vor einigen Monaten in Brüssel schon mit Donizettis "L'Elisir d'amore" für einen sehr amüsanten Opernabend sorgte, bringt eine in jeder Hinsicht überzeugende Sicht auf die Rossini-Oper. Es geht schon los mit einem genialen Bühnenbild. Während sich der Vorhang hebt, blickt man auf den Grundriss einer Wohnung: das Bad, das Schlafzimmer, die Abstellkammer, das Wohnzimmer, jede Wand, jede Tür ist auf dem Boden aufgezeichnet und - das ist das besondere - wird von einer Kamera von der Decke aus gefilmt und spiegelverkehrt auf die abgeschrägte Rückwand projiziert. Eine zwar simple aber sehr effektive Doppelung. Während das Orchester zur Ouvertüre anhebt, tragen die Bühnenarbeiter die Möbel und Requisiten herein, zwischen denen das Spiel dann beginnt.
Und es wird mit soviel Lust und Spaß agiert, wie man es nur selten sieht. Das ist eine tolle Personenführung, für die in Lüttich übrigens nicht mal der Regisseur persönlich, sondern in der praktischen Umsetzung seine Assistentin Silvia Paoli verantwortlich zeichnet. Denn diese Produktion ist vorab schon mehrfach in italienischen Häusern gezeigt worden. Allerdings in einer anderen Besetzung. Und Lüttich wartet mit einem glänzenden Solistenensemble auf, das zum einen den gesanglichen Anforderungen der Rossini-Partitur mit ihren schnellenden Parlandi gerecht wird, zum anderen aber auch so präzise und lustvoll agiert, wie man es nur selten erlebt. So etwa Maria Mudryak als ebenso junge wie hübsche Giulia oder in der Rolle des ebenso trotteligen wie verschlagenen Dieners Germano Filippo Fontana, der übrigens schon rein optisch in jedem Bully-Herbig-Film mitwirken könnte. Aber auch zwei belgische Solisten vervollständigen das Ensemble und überzeugen ebenso wie ihre Kollegen: Julie Bailly ist die ideale Lucilla und Laurent Kubla als Blansac zeigt zum wiederholten Mal in Lüttich sein ganzes Können.
Das Orchester lässt sich unter der Leitung von Christopher Franklin von dieser Spielfreude anstecken, eine besondere Erwähnung verdient Sylvain Busquet, der am Cembalo die Rezitative mit musikalischem Humor zu begleiten versteht. Da wird jedes Klingeln an der Haustür zum kleinen Ereignis.
Bis zum 19. März steht "La Scala di Seta" noch auf dem Programm der Königlichen Oper der Wallonie in Lüttich.
Hans Reul - Bild: Opéra Royal de Wallonie