"Skandal", "Aufhören", "Das ist der Monnaie nicht würdig", Buh-Gebrüll ohne Ende - das hat es in dieser Form schon seit längerem nicht bei einer Opernaufführung gegeben. Aber nur mit der Ruhe: Der lautstarke Protest des Publikums ist organisiert und Teil dieser köstlichen Opernparodie mit dem Titel "L'Opera Seria", die La Monnaie derzeit in der Ausweichspielstätte des Cirque Royal gibt. Was führt eigentlich zu dieser Schimpftirade, die doch bei einigen Opernbesuchern für einen Moment der Verwirrung und Verunsicherung sorgt?
Alles beginnt damit, dass ein Komponist und ein Librettist mit dem Operndirektor über das neue Werk, das zur Aufführung kommen soll, streiten. Der Künstler an sich ist nun mal eitel und möchte nicht ein Jota seiner Arbeit abändern. Dem Intendanten gefällt so einiges nicht und vor allem möchte er, dass das Werk radikal gekürzt wird. Er muss an sein Publikum und die entsprechenden Einnahmen denken, aber natürlich auch an die Sensibilitäten seiner Diven. Die trudeln allmählich während dieses ersten Aktes ein und jede wird auf vortreffliche Art und Weise musikalisch karikiert. Zickenalarm ist angesagt.
Im zweiten Akt wird dann die Oper geprobt und hier wird jede Arie zu einer musikalischen Parodie ihrer selbst. In Akt drei wird dann endlich die Oper aufgeführt, in prunkvollem Dekor, der uns nach Indien versetzt und hier kommt es dann zum Skandal. Das Publikum schreit dazwischen, einige verlassen sogar wutentbrannt das Theater. Das gehört alles zum Spiel dazu. Ebenso, dass die Mütter der Sängerinnen ihren Töchtern zur Seite stehen. "The Voice" lässt grüßen. Und am Ende möchte sich der Operndirektor noch mit der Theaterkasse aus dem Staub machen.
Sie merken: Das ist eine herrliche Parodie voller Komik. Damit dies auch alles zur Geltung kommt, braucht man allerdings herausragende Solisten, einen inspirierten Regisseur und einen Dirigenten, der an dieses Werk glaubt und mit Verve verteidigt. Es war René Jacobs, der "L'Opera Seria" 1994 aus der Versenkung holte und bei den Schwetzinger Schlossfestspielen sowie in Berlin und Paris herausbrachte. Mit viel Schwung und Spielfreude folgt bei dieser neuen Produktion das B'Rock Orchester aus Gent dem Dirigat Jacobs.
Für Regie, Bühnenbild und Kostüme zeichnet Patrick Kinmonth in Personalunion verantwortlich. Dabei kann er sich vor allem im dritten Akt mit farbenfrohen Bildnern und Kostümen so richtig austoben, aber auch in den beiden ersten Akten ist alles mit viel Stil und Eleganz bebildert und das Spiel wunderbar leicht durch choreographiert. Wobei sogar ein charmant-amüsanter Seitenhieb auf typische Bewegungsmerkmale einer bestbekannten belgischen Choreographin nicht fehlt.
Zudem bietet der Cirque Royal die ideale Voraussetzung um den Blick auf mehrere Ebenen, nämlich auf Bühne, Garderoben und Orchester frei zu geben. Kinmonths Regie ist eine urkomische Persiflage ohne in allzu derbe Plattitüden zu verfallen.
Aber was wäre diese turbulente Parodie ohne diese grandiose Besetzung bis in die kleinste Rolle. Elf tolle Solisten braucht man, Sängerinnen und Sänger, die Spaß am Spiel haben und deren stimmliche Kunst höchsten virtuosen Ansprüchen entspricht. Ich kann mir kaum eine bessere Besetzung vorstellen, als jene, die jetzt in Brüssel zu sehen und hören ist.
Man müsste sie alle nennen, etwa die beiden eitlen Diven Alex Penda als Stonatrilla und Robin Johannsen als Smorfiosa, natürlich auch Sunhae Im, die als junge Konkurrentin den beiden mit ihren stilisierten Posen und Gesten schlecht alternden Kolleginnen den Rang abläuft. Oder der wunderbare Mario Zeffiri als dümmlicher Tenor Ritornello, der es nicht schafft den Text seiner Arien zu behalten. Marcos Fink spielt den Operndirektor Fallito, also Pleitemacher, dessen Namen wie alle Namen Symbolcharakter hat.
"L'Opera Seria" ist ein Riesenspaß und steht noch bis zum 17. Februar auf dem Programm von La Monnaie im Cirque Royal.
Hans Reul - Bild: Clärchen und Matthias Baus
Dem oben geschriebenen ist nichts hinzuzufügen. Ich selber bin nicht der geborene Opernfan. Aber diese 3 Stunden (ohne Pausen) dauernde Aufführung, war von der ersten bis zur letzten Minute unterhaltsam spannend und wirlich die Hauptstadtreise wert. Nur 7 Probetage waren nötig um diese tolle Qualität hervorzubringen. Aus dem Nähkästchen: alleine um die genaue zeitliche Abstimmung der "bösartigen" Zwischenrufe zu organisieren, war ein voller Probennachmittag nötig. Wer kennt schon Gassmann, na ja zum Wiederaufleben des unvergesslichen Opernnachmittags kramten wir vorhin wieder mal eines seiner Trios für Flöte, Violine und Bratsche hervor. Schade nur, dass die Monnaie erst letztes Jahr ihr Budget für Opern in zeitgenössischer historischer Aufführungspraxis kürzte.