Wer einen logischen Handlungsfaden in einer Oper erwartet, der ist bei "To be sung" auf dem Holzweg. Weder dem Komponisten Pascal Dusapin noch Gertrude Stein, die die literarische Vorlage lieferte, war dies Ausgangspunkt oder Ziel. Es geht ausschließlich um Sprache, um Musik, um Klang an sich.
1932 hat Gertrude Stein einen Text mit dem Titel "A lyrical Opera made by two" oder "To be sung" geschrieben. Pascal Dusapin schuf davon ausgehend 1994 eine Kammeroper für kleines Orchester, das neben einigen dezenten elektronischen Elementen ein Instrumentalseptett umfasst, drei Sopranstimmen, einen Sprecher sowie einem Tänzer respektive einer Tänzerin.
Für Dusapin war es ein Moment ungeahnter Freiheiten, denn er musste keiner Geschichte folgen, sondern konnte sich auf die phonetische, die rein klangliche Verarbeitung des Textmaterials konzentrieren. Dabei geht Gertrude Stein von einer sehr genauen Beschreibung des Raumes, in dem der Text gesprochen, das heißt gesungen wird, aus. Es ist die Beschreibung ihres Wohnzimmers, das aber keineswegs jetzt auch auf der Bühne aufgebaut werden soll oder gar muss.
Nein, der Bühnenbildner Renato Nicolodi hat einen neutralen Raum geschaffen, der sich auf den Stufen der Bühne des Studio 4 von Flagey öffnet und dank einiger verschiebbarer Wände auch ein wenig verschließt. Darin agieren die drei Sängerinnen und die Tänzerin ganz in weiß gekleidet. Dazu klingt aus dem Off die Stimme eines Erzählers. Wie Dale Duesing den Text, der manchmal fast dadaistische Züge trägt, rezitiert, das ist reinste Musik und das ist von Dusapin explizit gewollt. Er wollte nämlich den typischen Klang und Duktus der Sprechweise des Bundesstaates Virginia nachvollziehen, eine Art zu sprechen, die sehr plastisch und unglaublich melodiös ist.
So wird auch der gesprochene Text zur Musik. Und für den Gesang selber stehen die drei großartigen Sopranistinnen dieser Produktion: Marisol Montalvo, Allison Cook und Geneviève King. Wie ihre Stimmen ineinander verschmelzen, das ist allerfeinster Hörgenuss, das gilt auch für die Orchesterleistung unter Bassem Akiki.
Man muss sich nur auf dieses in jeder Hinsicht abstrakte Klanggemälde einlassen wollen. Wer nach einer stringenten Entwicklung sucht, oder gar einen Handlungsbogen erwartet, der wird nicht auf seine Kosten kommen. Ich hätte mir sogar gewünscht, dass die Produktion rein konzertant aufgeführt worden wäre. Die sehr einfühlsame Lichtregie schuf ohnehin den angemessenen Rahmen.
Bis Samstag, 9. Januar steht "To be sung" noch auf dem Programm. Alle Infos gibt es im Netz unter lamonnaie.be.
Hans Reul - Bild: Hofmann/La Monnaie