Als Aachens Generalintendant Michael Schmitz-Aufterbeck vor einigen Monaten die deutsche Erstaufführung von Philippe Boesmans Oper "Au monde" ankündigte, da konnte man sich schon fragen: Wird das gut gehen? Allzu frisch hatte man die grandiose Inszenierung der Brüsseler Uraufführung noch vor Augen und im Ohr.
Aber Aachen hat ja schon in den letzten Jahren immer wieder eindrucksvoll bewiesen, dass auch ein vergleichsweise kleines Haus sich der neuen Oper mit Erfolg widmen kann. Denken wir nur an "Brokeback Mountain" in der vorigen Spielzeit und dies wird mit der neuen Einstudierung von "Au monde" auf bemerkenswerte Weise fortgesetzt.
Boesmans ist einer der herausragenden Komponisten unserer Tage in Sachen Musiktheater. Nur wenige verstehen es wie er, für Stimmen zu schreiben, er scheut keine Anspielungen an historische Vorbilder. Hier in "Au monde" geht er sogar so weit, den von Claude François geschriebenen Frank Sinatra Welthit "My way" zu zitieren, aber vor allem die Tonsprache eines Claude Debussy ist ihm nahe.
Jetzt geschieht in der Aachener Aufführung etwas ganz erstaunliches. War bei der musikalischen Deutung in Brüssel hinsichtlich der Klangfarben die Debussy-Nähe unüberhörbar, kommen in Aachen klangliche Erinnerungen an Wagner und vor allem Richard Strauss noch stärker zum Tragen. So zumindest mein Eindruck bei der Premiere am Sonntag. Und Philippe Boesmans, der es sich nicht nehmen ließ, der Premiere beizuwohnen, bestätigte mir nachher im Gespräch diesen Eindruck.
Bei den Namen Debussy, Strauss oder Wagner dürfte jedem klar sein, dass Boesmans Oper alles andere als ein klanglicher Schock ist. Natürlich hat er seine ganz eigene Tonsprache, die modern, aber nie erschreckend oder gar abschreckend ist. Sie spricht uns direkt an, zeigt Aktualität, aber nie auf verkrampft kopflastige Weise, sondern in ganz natürlicher Form.
Da darf man zunächst einmal dem Aachener Orchester ein Riesenkompliment machen. Wie hier unter der Leitung des sehr jungen Kapellmeisters Justus Thorau musiziert wird, lässt keine Wünsche offen. Auch hier war Boesmans voll des Lobes. Er war unter der Woche bei einigen Proben anwesend gewesen und hob die akribische Arbeit von Dirigent und Orchester hervor. Auch die Solisten kann man durchwegs in das Lob einbeziehen. Sängerisch und gestalterisch braucht das Aachener Ensemble sich nicht zu verstecken. Dabei sind die meisten Sängerinnen und Sänger sogar hauseigene Kräfte.
Die Handlung von Au monde ist, wie wir sie schon nach der Brüsseler Uraufführung zusammenfassten, die folgende: Ein durch Waffengeschäfte zu Reichtum gekommener Fabrikant möchte seinen Nachlass regeln. Als Erbe hat er seinen zweiten Sohn Ori auserkoren, der, ob ehrenhaft oder nicht, aus der Armee ausgeschieden ist. Aber da gibt es auch den älteren, dem Vater treu dienenden Sohn und die drei Schwestern. Die älteste ist schwanger, von wem weiß man nicht, die zweite Tochter, die in gewisser Weise die Hauptpartie trägt, ist ein Fernsehstar. Und es gibt noch eine junge Schwester, die sich stets ungeliebt fühlt, wurde sie doch adoptiert als Ersatz für ein verstorbenes Mädchen. Und dann spielt auch noch der Gatte der ältesten Tochter eine undurchsichtige Rolle ebenso wie eine fremde Frau, die plötzlich in dieser Familie auftaucht. Es ist eine Geschichte um möglichen Inzest, um Untreue, Frauenmord.
In Brüssel ließ die Regie vieles in der Schwebe, in Aachen optiert die Regisseurin Ewa Teilmans nach meinem Empfinden für eine wesentlich deutlichere Sicht auf die komplizierte Familiengeschichte. Dafür lässt sie andererseits zwischen einigen Szenen Traumsequenzen auftauchen.
Man spürt, dass Teilmans sehr intensiv mit den Darstellern an der Ausarbeitung der einzelnen Figuren gearbeitet hat. Man müsste alle acht Protagonisten gebührend erwähnen, lassen Sie mich die drei weiblichen Hauptrollen hervorheben, Sanja Radisic als älteste Tochter, Suzanne Jerome als jüngste Tochter, immer zwischen kindlich und verzweifelt wechselnd, und vor allem Camille Schnoor, die ein sehr fein gezeichnetes Bild und stimmlich keine Wünsche offen lassende Darstellung der mittlere Tochter präsentiert
"Au monde" ist ein zweistündiges spannendes Stück Musiktheater, das man besten Gewissens empfehlen kann. Bis Ende Februar steht die Boesmans-Oper auf dem Spielplan des Theaters Aachen.
Hans Reul - Fotos: Carl Brunn
Ich möchte gerne wissen, wann in Aachen diese Oper gespielt wird und wo Verkaufsstellen sind.
Danke
Jean-M
Sehr geehrter Herr Keutgen,
Karten sind im Theater Aachen erhältlich. Aufführungen gibt es am 11. und 16. Dezember, am 3., 17. und 31. Januar sowie am 13., 18. und 26. Februar.
Viele Grüße
Melanie Ganser, BRF-Webredaktion