Calixto Bieito ist einer der bevorzugten Regisseure von Operndirektor Aviel Cahn. Schon mehrfach hat er in Antwerpen und Gent inszeniert und dabei für sehr unterschiedliche Aufführungen gesorgt. Hatte er bei seiner Sicht des Brecht-Weill-Werkes "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" die Dekadenz auf sehr drastische Weise dargestellt, gab er dem Schostakowitsch-Drama "Lady Macbeth von Mzensk" eine sehr genaue und intelligente Interpretation, die in ihrer Zurückhaltung zu einem nachhaltigen Opernerlebnis wurde.
Was würde er mit Tannhäuser machen? Wie würde er die Venusberg-Szene des ersten Aktes inszenieren? Bieito verzichtet auf plakativ zur Schau gestellte Erotik, die man ihm bei der Thematik durchaus hätte zutrauen können. Nein, es gibt keine vordergründige Provokation, er lässt die Bacchanal-Szene zu einem fast schon minimalistischen Kammerspiel werden.
Hier tritt nicht einmal ein Ballett auf, er überlässt der Sängerin der Venus, Ausrine Stundyte, die Bühne. Wie sie sich zwischen den sich zur Decke aufschwingenden Bäumen bewegt, ist grandios. Hier finden die Personenführung des Regisseurs und die expressive Umsetzung der Darstellerin zur perfekten und sinnvollen Symbiose. Und Ausrine Stundyte, die wir bereits als Katerina in Schostakowitschs Macbeth bewundern konnten, hält auch stimmlich ihr Debüt als Venus durch.
Überhaupt wurde am Premierenabend in Gent auf vorzüglichem Niveau gesungen. Annette Dasch ist eine gestandene Wagner-Sängerin. Sie gestaltet auf eindringliche Weise die stolze wie leidende Elisabeth. Burkard Fritz gab sein Tannhäuser-Debüt mit strahlendem Heldentenor, auch er lässt sängerisch keine Wünsche offen. Das Lob kann man für alle Protagonisten fortsetzen.
Hervorzuheben sind da noch Ante Jerkunica mit dunklem voll tönendem Bass als Landgraf Hermann und Daniel Schmutzhard als Wolfram von Eschenbach. Wieder einmal ist es der Flämischen Oper gelungen, eine kohärente Besetzung für ein anspruchsvolles Werk zu verpflichten.
In dieses Lob muss unbedingt auch der Chor einbezogen werden. Immer klangschön und doch auch kraftvoll gestaltet er seine zahlreichen Einsätze. Das Orchester brauchte einige Zeit, bis es zur gewohnten Höchstform auflief. In Ouvertüre und Bacchanalszene noch ein wenig disparat, kam es dann aber unter der Leitung von Dmitri Jurowski zu einer sehr klaren und hellen Wagner-Lesart.
Bieitos Team hat übrigens eine sehr stimmige Bühne gebaut. Nach der Waldszene auf dem Venusberg wird der zweite Akt, der ja auf der Wartburg spielt und den Sängerkrieg zeigt, in einer ebenso nüchternen wie edlen Halle gespielt. Im dritten Akt sind die Säulen der Halle dann mit Blättern der Bäume der Eingangsszene umfasst. Das ist mehr als schlüssig, was man von der Inszenierung Bieitos nicht unbedingt behaupten kann. Da bleibt doch einiges im Unklaren. Somit wird diese Tannhäuser-Produktion in erster Linie zu einem großen Sängerfest.
Bis zum 27. September wird Tannhäuser in Gent gezeigt und danach noch sechs Mal bis zum 17. Oktober in Antwerpen.
Hans Reul - Bilder: Annemie Augustijns/Opera Vlaanderen
Antwerpener " Tannhäuser " mit Andreas Schager eine musikalischer Höhepunkt der Saisoneröffnung.
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